Optimierung von Eingriffen bei zerebralen Aneurysmen

13 September 2021

Prof. Alexander Popp und Dr.-Ing. Matthias Mayr, Institut für Mathematik und Computergestützte Simulation, haben im DFG-Schwerpunktprogramm 2311 das Projekt "Skalenübergreifende Algorithmen und Simulationsmethoden für die patientenspezifische Optimierung endovaskulärer Eingriffe bei zerebralen Aneurysmen" erfolgreich eingeworben.

Laufzeit: 01.01.2022 bis 31.12.2024
Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG) – DFG-Schwerpunktprogramm (SPP 2311)


Zerebrale Aneurysmen sind ein Hauptrisikofaktor für intrakranielle Blutungen mit verheerenden Folgen für den Patienten. In den letzten Jahren haben sich in der klinischen Behandlung von Hirnaneurysmen verschiedene minimalinvasive Behandlungsstrategien durchgesetzt: Beim endovaskulären Coiling wird das Aneurysma mit Platindrähten ausgestopft, um den Blutfluss im Inneren des Aneurysmas zu reduzieren und eine anschließende Embolisation auszulösen. Alternativ werden sogenannte Flow Diverter oder WEBs eingesetzt, um den Blutfluss in das Aneurysma zu reduzieren. Alle Behandlungsoptionen haben einen wesentlichen Faktor gemeinsam: Die Spezifikationen des eingesetzten Implantats (z. B. die Volumenpackungsdichte und der Drahtradius beim Coiling oder die Maschenweite von Flow Diverter oder WEBs) haben einen großen Einfluss auf den Embolisationsprozess und das langfristige Behandlungsergebnis, wobei die Auswahl eines bestimmten Implantats stark von der persönlichen Erfahrung des behandelnden Neuroradiologen abhängt. Genau hier setzt das beantragte Forschungsprojekt mit seiner kombinierten Expertise in numerischer Modellierung, Simulationstechnik und klinischer Anwendung an: Mittels Mehrskalenmodellierung und patientenspezifischer Simulation kann das Zusammenspiel zwischen patientenspezifischen Daten, den Schlüsselparametern des endovaskulären Implantats und dem Thrombusbildungsprozess mit hoher Genauigkeit bewertet und vorhergesagt werden. Durch Homogenisierungsansätze werden sowohl die medizinischen Implantate als auch die Thrombusbildung als poröse Medien modelliert, so dass deren Durchlässigkeit für den Blutfluss über die Porosität gesteuert werden kann. Recheneffizienz wird durch eine Modellrealisierung im Rahmen der Lattice-Boltzmann-Methode erreicht. Es werden Mehrskalen-Zeitintegrationsschemata entwickelt, um die Interaktion zwischen dem kurzskaligen Blutpuls und den langskaligen Embolisations- und Remodellierungsprozessen aufzulösen. Das vorgeschlagene umfassende Modell wird den lokalen Blutfluss in patientenspezifischen Geometrien, den Einfluss des gesamten Gefäßsystems im menschlichen Körper, die Wechselwirkung zwischen endovaskulären Implantaten und Thrombusbildung sowie Weichgewebe berücksichtigen. Um Ärzte bei der optimalen Implantatauswahl und Behandlungsplanung zu unterstützen, werden erste Schritte in Richtung eines stochastischen Optimierungsansatzes unternommen, sodass – zum ersten Mal überhaupt – Schlüsselparameter von Coils, Flow Diverter oder WEBs für die endovaskuläre Intervention in patientenspezifischen Computersimulationen optimiert werden können. Hierdurch werden die Qualität des Aneurysmenverschlusses, das langfristige Behandlungsergebnis und das Wohlergehen des Patienten verbessert.


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