Twitter, Facebook und Co.: Die Weltanschauungen der neuen Tech-Elite

17 Februar 2021

In Zeiten, in denen einzelne Tech-Konzerne Profile oder Beiträge eines scheidenden amerikanischen Präsidenten löschen oder blockieren und fulminante Gewinne durch das pandemiebedingte Erstarken des Online-Handels erfahren, rückt der enorme Einfluss und der Reichtum der neuen Tech-Elite weiter in den Fokus. Die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer technologischen Innovationen sind weder wegzudenken noch zu übersehen. Doch wie denkt sie? Welche Ziele, Einstellungen und Haltungen vereint sie? Und wie unterscheidet sie sich von der generellen Bevölkerung und anderen Eliten?

Ein Beitrag von Dr. Wiebke Drews, Institut für Politikwissenschaft

Zusammen mit Prof. Dr. Hilke Brockmann (Jacobs University Bremen) und Prof. Dr. John Torpey (City University New York) arbeitete Dr. Wiebke Drews (Institut für Politikwissenschaft, UniBw München) in den vergangenen Monaten an einer internationalen Studie, die sich damit beschäftigte, wer sich hinter den Personen der neuen Tech-Elite verbirgt und welche Weltanschauungen sie verfolgt. Um deren Mitglieder zu identifizieren, konzentrierte sich das Projektteam auf die Liste der 100 reichsten Menschen in der Tech-Welt, die vom Magazin „Forbes“ jährlich veröffentlicht wird. Der Zugang zu dieser Gruppe erwies sich allerdings als schwierig: Ein ausführlicheres Interview konnte lediglich mit einer Person geführt werden. Doch aus diesem Rückschlag entwickelte sich auch eine erkenntnistheoretische Chance: So fokussierten sich die Wissenschaftler/-innen auf die digitalen Spuren, die diese Super-Elite hinterlässt, einschließlich ihrer Kommunikation auf Twitter, auf den Webseiten ihrer Stiftungen und der Plattform „The Giving Pledge“, die besonders wohlhabende Menschen zum Spenden ihres Reichtums für das Gemeinwohl animieren will.

Positivere Kommunikation als die allgemeine Bevölkerung

Mit Hilfe modernster text-as-data-Methoden (Textdaten, die in der quantitativen Sozialforschung analysiert werden) erhielt das Projektteam umfangreiche Einblicke in die Gedankenwelt der Tech-Elite und konnte diese mit der US-amerikanischen Twitter-Bevölkerung und anderen Eliten vergleichen. Daraus entstanden folgende Erkenntnisse: Die Tech-Elite kommuniziert deutlich positiver als die allgemeine Bevölkerung. Sie verfolgt gar missionarisch das Ziel, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dabei eint sie ein meritokratisches Weltbild, das ihre erreichten Positionen durch Anstrengung und Leistung legitimiert - in Abgrenzung zum ererbten Reichtum. Die Diskrepanz zur Bevölkerung wird auch in ihrer Twitter-Kommunikation zu den Themen Demokratie, Macht und Geld deutlich. Während die Tech-Elite im Allgemeinen signifikant häufiger über Macht und Geld twittert als die Bevölkerung, fehlt dieser Unterschied in Tweets, die sich nur auf demokratienahe Themen beziehen. Insbesondere leugnet die Tech-Elite eine Verbindung zwischen Geld und Demokratie, die die Bevölkerung jedoch wahrnimmt. Dies ist besonders schwerwiegend, wenn man bedenkt, dass die Tech-Elite technische Standards setzt und mit ihrer Finanzkraft durchaus demokratische Politik beeinflusst.

Eine „Klasse für sich“

Mit Hilfe von Machine-Learning-Algorithmen konnten die Wissenschaftler/-innen die Tech-Elite schlussendlich sehr einfach in dem großen Pool der Twitter-User identifizieren. Ihre Befunde zeigen, dass die neue Tech-Elite unverwechselbar kommuniziert und somit (wahrscheinlich) eine „Klasse für sich“ darstellt. Die Studie ist die erste ihrer Art, die der Tech-Elite mit digitalen Daten auf den Grund gehen will. Aus Sicht des Projektteams ist es daher gesellschaftlich und wissenschaftlich umso wichtiger, diese Art der Eliten-Forschung mit Hilfe neuer Fördermittel auch in Zukunft zu vertiefen und zu stärken.


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