Die Aneignung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten kann für Unternehmensberater als zunehmend bedeutsame Voraussetzung dafür angesehen werden, in einem von steigenden Klientenanforderungen geprägten Arbeitsumfeld zu bestehen. Digitale Geschäftsmodelle und exponentielle Wachstumspfade neuer Marktteilnehmer stellen ihre Klienten heute vor Herausforderungen, bei deren Bewältigung immer seltener auf vergleichbare Problemstellungen und einschlägigen Projekterfahrung zurückgegriffen werden kann. Für die Bearbeitung weniger spezifischer bzw. automatisierbarer Aufgaben ist mittlerweile auch im Kontext der Managementberatung der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz zu beobachten. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage zunehmend an Relevanz, wie individuelles Lernen als Anpassungsmechanismus an ein sich immer schneller veränderndes Umfeld erfolgreich praktiziert (Perspektive des Unternehmensberaters mit Interesse an einer erfolgreichen Laufbahnentwicklung) und gefördert (Perspektive der Personalentwicklung eines Beratungsunternehmens mit Interesse an der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit) werden kann.

 

Ziel des Forschungsprojektes: Das Ziel des Forschungsprojekts ist es daher Erscheinungsformen (wie wird gelernt?), Einflussfaktoren (was unterstützt individuelles Lernen) und Manifestation (was resultiert aus individuellem Lernen?) im spezifischen Kontext der Unternehmensberatung untersuchen. Das Forschungsinteresse ist dabei nicht nur auf das Lernen im Sinne eines bloßen Wissenserwerbs gerichtet, sondern insbesondere auf die damit verbundenen Lernpraktiken, die nicht losgelöst vom jeweiligen sozialen Kontext und Arbeitsumfelds des Beraters betrachtet werden können.

 

Theoretischer Hintergrund: Aufgrund des besonderen Interesses an konkreten Lernpraktiken dienen zur Beantwortung der oben genannten Forschungsfragen praxistheoretische Ansätze von Wanda Orlikowski, Davide Nicolini, Silvia Gherardi und Haridimos Tsoukas. Diese basieren auf philosophischen, soziologischen und psychologischen Argumentationslinien und betrachten Wissen und Lernen in erster Linie als soziale und kulturelle Phänomene in Abgrenzung zu einer einseitig rationalistischen und kognitivistischen Auffassung. Diese Sicht auf Lernen als in einem sozialen Kontext verankerte soziale Praxis geht einher mit dem von Theodore Schatzki konstatierten „Practice Turn“ in Teilgebieten der Organisationsforschung (siehe z. B. auch Strategy as Practice im Bereich der Strategiegenese in Unternehmen).

 

Methode: Die Illustration des zu entwickelnden konzeptionellen Bezugsrahmens, der zur Erklärung von Einflussfaktoren und Manifestation individueller Lernpraktiken von Unternehmensberatern dient, erfolgt mittels qualitativ-explorativem Forschungsdesign mit semistrukturierten Interviews.

 

Kontakt: Georg Rainer