Bessere Sicherheitsbeurteilung von Reaktoren

9 Februar 2023

Die Nachwuchsforschungsgruppe iCFD4NS unter der Leitung von Dr. Josef Haßlberger (Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik) leistet einen Beitrag zur Vervollständigung der Analysekette zur nuklearen Sicherheit. Ziel ist eine bessere Sicherheitsbeurteilung von Reaktoren durch optimierte Berechnungsverfahren für turbulente Strömungen.

Als es am 11. März 2011 im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi zur Kernschmelze und Wasserstoffexplosionen kam, gelangten vor allem in den ersten Tagen nach dem durch ein starkes Seebeben verursachten Unfall erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre – eine nukleare Katastrophe. Genau solche Unfälle und sonstige Störfälle im Regelbetrieb besser durch Berechnungen turbulenter Strömungen vorhersagen sowie im Nachhinein beurteilen zu können, ist Ziel der Nachwuchsforschungsgruppe iCFD4NS an der Universität der Bundeswehr München. Um die Berechnungsverfahren effizienter zu gestalten, greifen die Wissenschaftler auf Methoden der künstlichen Intelligenz zurück und nutzen wegen des hohen Rechenaufwands ebenfalls den Höchstleistungsrechner „SuperMUC-NG“ des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) in Garching bei München.

Kompetenzen in Deutschland erhalten

Auch wenn der Atomausstieg in Deutschland beschlossene Sache ist und am 15. April 2023 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden, bleibt das Thema Atomkraft und nukleare Sicherheit genauso für Deutschland hochrelevant. Weltweit entwickle sich momentan eine neue Diskussion über die Nutzung von Kernkraftwerken im Kampf gegen den Klimawandel, so Dr. Haßlberger. Im Zuge dessen rücken, neben aktuell im Betrieb befindlichen großen Leichtwasserreaktoren, neuartige Reaktorkonzepte, wie etwa „Small modular reactors“ (SMR), in den Fokus. Wichtig sei, die Expertise auch bei diesen neuen Reaktorkonzepten aufrecht zu erhalten: „Trotz Ausstieg aus der Atomkraft müssen wir in Deutschland die Kompetenz im Bereich der Reaktorsicherheit bewahren. Wenn wir das nicht tun, dürfen wir in Zukunft nicht mehr mitreden und können keinen Einfluss mehr auf Sicherheitsstandards nehmen“, betont Dr. Haßlberger. Ein Reaktorunfall etwa an der tschechischen oder französischen Grenze sei schließlich genauso ein Problem für Deutschland.

Turbulente Strömungen genauer berechnen

Im Projekt widmen sich die Wissenschaftler in drei Themengebieten verschiedenen Ausprägungen turbulenter Strömungen.  Das erste Themenfeld umfasst die Berechnung von reaktiven Strömungen, also von Verbrennungsprozessen wie in Wasserstoffexplosionen. Im zweiten Aufgabenbereich geht es um den Wärmetransport in speziellen Arbeitsmedien, die die Energie vom Reaktorkern abführen: „Um die thermische Energie technisch nutzbar zu machen und in Strom umzuwandeln, muss man sie über Rohre zu anderen Komponenten des Reaktors führen“, erklärt Dr. Haßlberger. Derzeit werde dafür vor allem Wasser verwendet, bei SMR-Reaktoren seien allerdings auch andere, bislang weniger gut erforschte Arbeitsmedien wie z. B. Flüssigmetalle und Salzschmelzen attraktiv. Deshalb soll das Wärmetransportverhalten dieser strömenden Flüssigkeiten genauer charakterisiert und mit geeigneten strömungsmechanischen Berechnungsverfahren vorhersagbar gemacht werden. Die dritte Aufgabe ist das Berechnen komplexer mehrphasiger Strömungen und sogenannter „Gaswäscher“, mithilfe derer im Falle eines Reaktorunfalls eine gefilterte Druckentlastung des Sicherheitsbehälters möglich ist. Dadurch können radioaktive Aerosole ausgewaschen und die radioaktive Belastung der nach außen geleiteten Atmosphäre deutlich reduziert werden.

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,84 Mio. € gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Fördermaßnahme „Kreativer Nachwuchs forscht für die Nukleare Sicherheits-, Strahlen- und Rückbauforschung (NukSiFutur)“ unterstützt gezielt junge, exzellente Nachwuchswissenschaftler.  Die Nachwuchsforschungsgruppe ist am Institut für angewandte Mathematik und wissenschaftliches Rechnen (Prof. Markus Klein) angesiedelt.


Titelbild: Dr. Josef Haßlberger (2.v.r.) und sein Projektteam bei der Diskussion von Simulationsergebnissen zu hypothetischen Wasserstoffexplosionen in einem Reaktor (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)