Was sagen Strömungsexperimente zur Maskendebatte?

8 April 2020

Prof. Christian J. Kähler und sein Assistent Dr. Rainer Hain vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik haben Strömungsexperimente durchgeführt. Wie sinnvoll ist ein Sicherheitsabstand aus strömungsmechanischer Sicht und helfen auch selbstgemachte Masken?

Am 20. Januar gab die chinesische Gesundheitskommission offiziell bekannt, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung des neuartigen Coronavirus möglich sei. Wie bei anderen Erregern von Atemwegserkrankungen auch, wird angenommen, dass sich das Virus hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet.

Doch was passiert wirklich, wenn wir atmen oder husten? Prof. Christian J. Kähler und sein Assistent Dr. Rainer Hain vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München haben hierzu Strömungsexperimente durchgeführt. Sie sollen klären, ob die kontrovers diskutierten Sicherheitsabstände zwischen Personen aus strömungsmechanischer Sicht sinnvoll sind. Außerdem stellen sie heraus, ob ein einfacher Mund-Nase-Schutz vor einer Tröpfcheninfektion schützt und ob sich handelsübliche Haushaltsmaterialien eignen, um partikelfiltrierende Schutzmasken zu fertigen, die vor einer Tröpfcheninfektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schützen.

Hygienemasken zum Fremdschutz

Das Robert Koch Institut empfiehlt zum Eigen- und auch zum Fremdschutz genügend Abstand zu anderen einzuhalten. In den Experimenten wurde deshalb zunächst der Einflussbereich untersucht, der ohne Mundschutz beim Atmen, Sprechen und Husten durch Viren kontaminiert werden kann. Laut der Studie von Prof. Kähler und Dr. Hain reicht ein Sicherheitsabstand von 1,5 Meter in der Regel aus, um sich vor einer Tropfeninfektion durch Atmen, Sprechen und einmaligem Stoßhusten zu schützen. Bei langanhaltendem Reizhusten sollte der Sicherheitsabstand wenigstens 3 Meter betragen. Die Ausbreitung der Viren erfolgt in diesem Fall aber langsam genug, so dass eine zügige Abstandsvergrößerung von 1,5 Meter auf 3 Meter durch ein paar Schritte völlig ausreicht.

Wie steht es nun aber um den Fremd- und Eigenschutz durch einfache Hygienemasken, einem Mund-Nase-Schutz oder partikelfiltrierenden FFP2 Schutzmasken? Schon ein recht einfacher Mund-Nase-Schutz kann laut der Studie die Ausbreitung der Tröpfchen im Raum deutlich begrenzen. Die allgemein empfohlenen Sicherheitsabstände können also immer dann deutlich unterschritten werden, wenn eine infizierte Person einen Mund-Nase-Schutz trägt. Einer nicht infizierten Person hingegen bietet diese Maske nahezu keinen Schutz, wenn sie sich in einer kontaminierten Umgebung aufhält und einatmet. In diesem Fall kann nur ein hinreichend großer Abstand, der Überdruck der unter einer fest sitzenden Maske beim ausatmen entsteht, oder eine partikelfiltrierende Schutzmaske einen sicheren Schutz bieten.

Welche Materialien bieten wirklichen Schutz?

Die Fertigung geeigneter Masken in Heimarbeit ist leicht möglich. Schwierig ist es jedoch Materialien zu finden, die einen wirklichen Schutz bieten. Weiterführende Experimente durch Prof. Kähler und Dr. Hain zeigen, dass mehrlagige Stoffe, dicker Vlies, Kaffeefilter, Haushaltspapier, Toilettenpapier mit mehreren Lagen, Papiertaschentücher und Mikrofasertücher unter Norm-ähnlichen Prüfbedingungen keine Filterwirkung aufweisen. Auch die kommerzielle Hygienemaske und der Mund-Nase-Schutz, der in Arztpraxen und Krankenhäusern verwendet wird, bieten keinen wirksamen Schutz vor einer Tröpfcheninfektion. Es wird daher dringend davon abgeraten auf den Schutz dieser Masken zu vertrauen, wenn man nicht infiziert ist.

Masken-Versorgung in Eigenverantwortung möglich

Um sich sicher vor einer Tröpfcheninfektion zu schützen und als infizierte Person die Ansteckung der Mitmenschen vollständig zu verhindern, sind partikelfiltrierende Atemschutzmasken ohne Ventil erforderlich. Die Experimente durch Prof. Kähler und Dr. Hain zeigen, dass Staubsaugerbeutel mit Feinstaubfilter sehr gute Filtereigenschaften haben. Masken können aus dem Material leicht selber hergestellt werden. Die Materialkosten belaufen sich für eine Maske auf rund 50 Cent und die Fertigung kann mit etwas Übung in 5 Minuten erledigt werden. Wenn nur zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine Stunde investiert, um Schutzmasken zu fertigen, dann gäbe es innerhalb kürzester Zeit rund 100 Millionen Stück.

Für diese enorme Fertigungskapazität sollte die Bevölkerung mobilisiert werden, bis ausreichend kommerzielle partikelfiltrierende Schutzmasken verfügbar sind. Die Versorgung der Bevölkerung mit geeignetem Filtermaterial müsste jedoch staatlich sichergestellt werden.


Zur kompletten Studie inkl. Anleitung zur Herstellung von Schutzmasken geht es hier: https://www.unibw.de/lrt7/stroemungsanalysen-zur-sars-cov-2-schutzmaskendebatte

Ein Video mit den wichtigsten Ergebnissen finden Sie unter https://www.unibw.de/lrt7/video-stroemungsanalysen-zur-sars-cov-2-schutzmaskendebatte


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