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Leitlinien zur ethischen Bewertung sicherheitsrelevanter Forschung an der Universität der Bundeswehr München
18. Juni 2023
Mitglieder der KEF:
Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan (SOWI)
Prof. Dr.-Ing. Frank Faßbender (MB)
Prof. Dr. Friedrich Lohmann (SOWI)
Prof. Dr. Oliver Rose (INF)
VP Prof. Dr.-Ing. Geralt Siebert (BAU)
Prof. Dr. Stephan Stetter (SOWI)
Prof. Dr.-Ing. Peter Stütz (LRT)
Präambel
Die vorliegenden Leitlinien dienen dazu, die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kommission für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEF) an der Universität der Bundeswehr München vorzustellen. Die KEF ist dafür zuständig, gemeinsam mit den Forschenden der Universität an der Risikoeinschätzung von Forschung mitzuwirken, bei der erhebliche sicherheitsrelevante Risiken bestehen könnten. Hierzu werden im Folgenden die Ziele der Arbeit der KEF einschließlich einer Definition erheblicher sicherheitsrelevanter Risiken in der Forschung vorgestellt (Teil 1: Thematik). Daran anschließend werden dann Aufgaben der KEF unter besonderer Berücksichtigung der vorgesehenen Verfahren und Entscheidungswege aufgezeigt (Teil 2: Die Arbeit der KEF). Die Leitlinien bauen auf den „Leitfragen zur ethischen Bewertung sicherheitsrelevanter Forschung“ des Gemeinsamen Ausschusses zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung (GA) der DFG und der Leopoldina auf, der das zentrale deutschlandweite akademische Gremium zur Behandlung sicherheitsrelevanter Fragen in der Forschung ist.1
Teil 1: Thematik
Ziele
Ziel dieser Leitlinien ist es, den Forschenden an der Universität der Bundeswehr München bei der Einschätzung zu helfen, ob bei Forschungsprojekten erhebliche sicherheitsrelevante Risiken bestehen und wie mit diesen umzugehen ist. Es geht also nicht um die Forschungsthemen an sich. Die Forschung an der Universität ist frei und wird eigenverantwortlich geplant, initiiert und durchgeführt. Vielmehr geht es darum, wie mit erheblichen Risiken mit Blick auf Schadensabwendung umzugehen ist, wenn bei der Forschung mögliche sicherheitsrelevante Risiken bestehen könnten.
Hierzu wollen die vorliegenden Leitlinien darlegen, in welchen Fällen eine weitergehende Bewertung sicherheitsrelevanter Forschung und Maßnahmen der Risikoreduktion durch die KEF sinnvoll sind. Es sollen bewusst keine allgemeingültigen Kriterien oder „rote Linien“ formuliert werden, sondern in erster Linie den Forschenden dabei geholfen werden, aufbauend auf der grundgesetzlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre, im eigenverantwortlichen Umgang zu erkennen, ob in Forschungsprojekten möglicherweise erhebliche sicherheitsrelevante Forschungsrisiken vorliegen.
Definition erheblicher sicherheitsrelevanter Risiken
Erhebliche sicherheitsrelevante Risiken liegen, aufbauend auf einschlägigen Definitionen des GA der DFG und der Leopoldina, bei solchen Forschungsvorhaben vor, in denen erhebliche Risiken bestehen könnten, „Menschenwürde, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Umwelt oder ein friedliches Zusammenleben erheblich zu schädigen“.2
Dies gilt insbesondere für den Umgang mit sogenannter „besorgniserregender sicherheitsrelevanter Forschung“; dies sind „wissenschaftliche Arbeiten, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen, die unmittelbar“ – also nicht in irgendeiner indirekten und abstrakten Weise – „von Dritten mit Blick auf die oben genannten Risikobereiche missbraucht werden können“ und einen erheblichen Schaden – also tatsächlich gravierende gesellschaftliche Folgen - verursachen können.3 Zu denken wäre hier etwa an Forschung, die erhebliche atomare, biologische oder chemische Risiken hervorbringen könnte, aber auch an Forschung, die extremistische politische oder weltanschauliche Ideologien stärken könnte. Auch erhebliche sicherheitsrelevante Risiken, die sich aus der Kooperation mit militärisch assoziierten Forschenden oder solchen aus autoritären Staaten ergeben können, sind zu beachten.
Es geht also in der Gesamtschau bei erheblichen sicherheitsrelevanten Risiken um die Einschätzung, ob Forschungsergebnisse von dritter Seite derart missbraucht werden könnten, dass für die Gesellschaft (Deutschland, EU, aber auch global) ein erheblicher Schaden im o.g. Sinne entsteht. Die Unmittelbarkeit des Missbrauchs und das Risiko erheblichen Schadens sind somit zentral und müssen auch konkret aufgezeigt werden können. Die reine Behauptung, dass Forschung erhebliche sicherheitsrelevante Risiken hat und auf indirekte Weise missbraucht werden könnte, reicht also nicht aus, um als besorgniserregende sicherheitsrelevante Forschung eingestuft zu werden. Intention der Einschätzung erheblicher sicherheitsrelevanter Risiken ist also zusammenfassend nicht die Einschränkung von Forschung, sondern der Schutz bedeutender gesellschaftlicher Güter (Sicherheit, Grundrechte etc.).
Teil 2: Die Arbeit der KEF
Aufgaben der KEF
Die KEF an der Universität der Bundeswehr München ist zentrale Ansprechpartnerin bei allen Fragen, die für die Bewertung sicherheitsrelevanter Forschung an der Universität und vor allem beim Vorliegen möglicher besorgniserregender sicherheitsrelevanter Forschung von Bedeutung sind. Sie behandelt solche Fälle nach dem unten genannten Verfahren.
Die KEF bringt sich darüber hinaus – etwa durch universitätsöffentliche Veranstaltungen – auch in der allgemeinen Beratung und der Sensibilisierung zu Fragen sicherheitsrelevanter Forschung an der Universität der Bundeswehr München ein, etwa mit Blick auf die Einschätzung der Vereinbarkeit von Forschung mit verfassungsrechtlichen Grundlagen (Grundgesetz, EU-Recht, Internationales Recht) bzw. den Rahmenbestimmungen der Universität der Bundeswehr München sowie einschlägigen nationalen (DFG-Leitlinien zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis) und supranationalen (EU Forschungsförderung) Bestimmungen.
Eigenverantwortung
Die an der Universität der Bundeswehr München forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen in ihrer eigenen Forschung grundlegende ethische Prinzipien hinsichtlich des Umgangs mit Fragen sicherheitsrelevanter Forschung eigenständig im Rahmen der verfassungsgemäßen Freiheit der Forschung berücksichtigen. Im Rahmen einer vor Projektbeginn und während des Forschungsprozesses fortlaufenden Risikoanalyse werden die Gefahren für einen Missbrauch von Forschungsergebnissen im Sinne der o.g. unmittelbaren und erheblichen Risiken durch die Forschenden grundsätzlich in eigener Verantwortung berücksichtigt und gegebenenfalls eigenverantwortlich Maßnahmen zur Risikominimierung eingeleitet. Die KEF berät bei Bedarf hier gerne. Solche Arbeiten stellen nach einschlägigen Erfahrungen seltene Ausnahmen im akademischen Forschungsbetrieb dar. Es sind in der Regel auch nicht Projekte betroffen, die im Kontext der Verteidigungsforschung durchgeführt werden, da diese ohnehin durch die Geldgeber in der Regel eine eigene sicherheitsbezogene Überprüfung, um o.g. erhebliche sicherheitsrelevante Risiken zu minimieren (etwa, indem VS-Einstufungen vorgenommen werden).
Verfahren und Entscheidung
Bei weitergehendem Beratungsbedarf können sich Forschende oder Hinweisgebende jederzeit vertrauensvoll an die KEF wenden. Dies gilt auch, wenn im Laufe eines Forschungsvorhabens mögliche erhebliche sicherheitsrelevante Risiken erkennbar werden. Die KEF berät Forschende in einem solchen Fall und wirkt darüber hinaus durch universitätsöffentliche Veranstaltungen zum Themenfeld des Umgangs mit sicherheitsrelevanter Forschung zur Bewusstseinsbildung hierzu bei. In Verfahren zum Umgang mit konkreten Projekten wahrt die KEF stets Vertraulichkeit. Sie klärt entsprechende Sachverhalte im Rahmen der Kommissionsarbeit und ggfs. unter Hinzuziehung externer Expertise und schlägt nach Prüfung geeignete Maßnahmen zum Umgang mit erheblichen sicherheitsrelevanten Risiken vor. Die Letztverantwortung liegt im Sinne der Wissenschaftsfreiheit bei den Forschenden. Hinweisgebenden, die einen spezifischen Hinweis auf den Verdacht eines Vorliegens eines erheblichen sicherheitsrelevanten Risikos an die KEF melden, dürfen hieraus keine Nachteile entstehen. Vertraulichkeit ist auch hier zu wahren.
Die KEF ist verpflichtet bei Anfragen von Forschenden oder Hinweisgebenden den Sachverhalt im Rahmen ihrer Statuten zu klären und gegebenenfalls entsprechende Empfehlungen zum weiteren Umgang mit dem ermittelten erheblichen sicherheitsrelevanten Risiko zu geben. Die Ergebnisse der Arbeit der KEF sind hierbei zu protokollieren. Die Beteiligten sind zu hören. Die KEF kann grundsätzlich eine Beratung durch den GA der DFG/Leopoldina einholen. Sofern die KEF ein konkretes erhebliches sicherheitsrelevantes Risiko feststellt, erstellt sie einen entsprechenden Bericht, der an das Leitungsgremium der Universität der Bundeswehr München weitergeleitet wird und entsprechende Empfehlungen enthält. Das Leitungsgremium entscheidet auf Grundlage dieses Berichts. Die Beteiligten, die Ombudsperson sowie die KEF sind über die Entscheidung zu informieren.
1Bei der Erstellung der vorliegenden Leitlinien wurden auch einschlägige Ordnungen zur Thematik sicherheitsrelevanter Forschung an anderen deutschen Universitäten gesichtet.
2Zitiert aus den Leitlinien des GA, siehe https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Ueber_uns/Kooperationen/Leitfragen_zur_ethischen_Bewertung_sicherheitsrelevanter_Forschung.pdf