Doppelt exkludiert: Viele ältere Menschen sind Verlierer der Corona-Krise

15 März 2021

Das Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ ist aktueller denn je. Denn derzeit zeigen sich mit besonderer Schärfe die Folgen eines unzureichenden Zugangs vieler älterer Menschen zu den digitalen Medien.

Ein Beitrag von PD Dr. Helga Pelizäus*, Privatdozentin an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften, Forschungsbereich: Alter(n) und (digitale) Technik

Das Fehlen des Zugangs zu den digitalen Medien speziell für ältere Menschen verstärkt die negativen Auswirkungen der Corona-bedingten Maßnahmen häufig in einer Weise, die immer weniger tolerierbar erscheint. Kontaktsperren führen zu massiven Einbußen der sozialen Teilhabe älterer Menschen, ihrer Lebensqualität und ihrer Unterstützung, was durch die Nutzung digitaler Medien zumindest bis zu einem gewissen Grad kompensiert werden könnte.

Ein gewisses Maß an Technikkompetenz ist Voraussetzung

Der Zugang zur Digitalisierung ist aber nicht immer gegeben. So hat sich gezeigt, dass in vielen Alten- und Pflegeeinrichtungen deren Bewohnerinnen und Bewohner derzeit nicht über einen WLAN-Anschluss verfügen. Und in den Fällen, wo dies doch der Fall ist, ist dieser häufig nicht kostenlos.  Aber auch in den eigenen „vier Wänden“ ist die Situation für viele ältere Menschen nicht besser. Der Einsatz digitaler Medien bedarf in der Regel einer Unterstützung in technischer Hinsicht und in der Erarbeitung der nötigen Medienkompetenz. Gerade letztere ist aber aufgrund der Kontaktsperren kaum mehr möglich. So hat eine Studie ergeben, dass Gruppenkurse, feste Sprechstunden, Hausbesuche und offene Angebote zur Förderung von Medienkompetenz massiv zurückgefahren wurden. Nur die Zahl der Online-Formate und der Telefonie-Beratungen stiegen während der Corona-Krise deutlich an. Deren Inanspruchnahme setzt allerdings voraus, dass die betreffenden Personen schon über ein gewisses Maß an Technikkompetenz verfügen.

Allen älteren Menschen sollte der Zugang zu digitalen Technologien ermöglicht werden

Die gegenwärtige Situation birgt die Gefahr einer Verschärfung der Benachteiligung der älteren Menschen, die schon vor der Krise keinen Zugang zu digitalen Medien hatten.  Was kann dagegen getan werden? Der achte Altersbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFfJ), der von einer Sachverständigenkommission erarbeitet wurde, spricht hierzu verschiedene Empfehlungen aus. Er plädiert dafür, allen älteren Menschen den Zugang und die Nutzung digitaler Technologien zu ermöglichen. Dies beinhaltet, dass für sie in allen Wohnformen Internetzugänge bereitstehen, die genutzt werden können. Ebenso sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass das Internet im öffentlichen Raum und in öffentlichen Einrichtungen flächendeckend kostenlos genutzt werden kann. Darüber hinaus soll die Nutzung des Internet im eigenen Haushalt für Menschen mit geringem Einkommen über sozialrechtliche Hilfen gefördert werden. Ebenso ist es ein großes Anliegen der Kommission, dass flächendeckend lebensweltorien-tierte Unterstützungsstrukturen zur Förderung von Medienkompetenz etabliert werden, die bislang nur eher punktuell existieren. Es sollen physische und virtuelle Lernräume geschaffen und gefördert werden, in denen ältere Menschen mit Unterstützung digitale Technologien ausprobieren und sich mit deren Chancen und Risiken auseinandersetzen können.

Eine aktuelle Expertise zum Achten Altersbericht hat ergeben, dass immer noch ca. 77 % der Men-schen über 80 Jahre zu den sogenannten „Offlinern“ gehören (also Menschen, die nicht im Internet unterwegs sind). Und das sind gerade die Menschen, die besonders unter den Kontaktsperren zu leiden haben, die weniger Unterstützung und Zuwendung erhalten, gerade in Zeiten, in denen sie dieser ganz besonders bedürfen. Hier zeigt sich ein dringender Handlungsbedarf, der doppelten Exklusion vieler älterer Menschen entgegenzuwirken.

* Mitglied der Sachverständigenkommission für den Achten Altersbericht


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Titelbild: © iStockphoto / bowie15