Wie die Sportintensität das Infektionsrisiko beeinflusst

2 Juni 2022

Wie sich die Trainingsintensität auf den Ausstoß und die Konzentration von Aerosolpartikeln in der Atemluft konkret auswirkt, war bislang unklar. Mit einem neuen Versuchsaufbau zeigt ein Forschungsteam um Prof. Christian Kähler und Prof. Henning Wackerhage (TUM), dass die Aerosolemission bei hoher körperlicher Belastung exponentiell zunimmt – und damit beim Sport in Innenräumen auch das Ansteckungsrisiko für Infektionskrankheiten wie Corona steigt.

Bereits vor der Studie war bekannt, dass sich das Atemvolumen untrainierter Menschen von etwa fünf bis fünfzehn Litern pro Minute in der Ruhe auf über 100 Liter pro Minute beim Sport erhöht. Sehr gut trainierte Sportler erreichen sogar mehr als 200 Liter pro Minute. Bekannt war auch, dass sich häufig Menschen bei körperlicher Belastung in geschlossenen Räumen mit SARS-CoV-2-Viren angesteckt haben.

Bisher unklar war hingegen, wie sich die Intensität körperlicher Belastung auf die Konzentration von Aerosolpartikeln in der Atemluft sowie auf den konkreten Ausstoß von Aerosolpartikeln durch eine Person pro Minute und damit auch auf das potentielle Ansteckungsrisiko für Infektionskrankheiten wie SARS-CoV-2 auswirkt. Diese Informationen werden jedoch dringend benötigt, um zum Beispiel für den Schulsport, Hallenvereinssport, Fitnessstudios wie auch Diskotheken gezielte Schutzmaßnahmen bei schwerwiegenden Infektionswellen abzuleiten und möglicherweise Schließungen vermeiden zu können.

Neue Methodik liefert individuell messbare Aerosolwerte

 Ein Forschungsteam um Prof. Christian Kähler, Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München sowie Prof. Henning Wackerhage, Professor für Sportbiologie an der Technischen Universität München (TUM), hat für diese Fragen eine neue Untersuchungsmethode entwickelt: In ihrem Versuchsaufbau wurden zunächst bereits vorhandene Aerosole aus der Umgebungsluft herausgefiltert. So gereinigt, wurde diese Luft über eine spezielle Mund-Nasen-Maske von den gesunden Probanden und Probandinnen während des folgenden Belastungstests auf dem Ergometer eingeatmet. Die Intensität der Belastung wurde hierbei stufenweise gesteigert, von der Ruhe bis zur körperlichen Erschöpfung. Die Maske war an ein sogenanntes Zwei-Wege-Ventil angeschlossen, wodurch nur die tatsächlich ausgeatmete Luft ausströmen kann. Die pro Minute emittierten Aerosolpartikel wurden anschließend gemessen und konnten unmittelbar mit der aktuellen Leistung der Probanden und Probandinnen im Alter von 18 bis 40 Jahren abgeglichen werden.

Moderate Aerosolemission bei mittlerer Trainingsintensität

So gelang es den Forschenden, erstmals zu untersuchen, wie viele Aerosolpartikel pro Minute von einer Person bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten ausgestoßen werden. Das Ergebnis: Die Emission von Aerosolpartikeln steigt bei Trainierenden im Durchschnitt bis zu einer Belastung von etwa zwei Watt pro Kilogramm Körpergewicht zunächst nur moderat, darüber jedoch exponentiell an. Wer also 75 Kilogramm wiegt, erreicht diese Grenze im Schnitt bei rund 150 Watt auf dem Ergometer. Dies entspricht einer mittelschweren Anstrengung für einen Freizeitsportler oder eine Freizeitsportlerin, etwa vergleichbar mit der Belastungsintensität bei moderatem Joggen.

Die Anzahl der pro Minute freigesetzten Aerosolpartikel war von gut trainierten Sportlerinnen und Sportlern im Vergleich zu Untrainierten bei maximaler Anstrengung aufgrund ihres wesentlich größeren Atemvolumens signifikant höher. Einen signifikanten Unterschied in der Partikelemission zwischen den Geschlechtern konnten die Forschenden nicht feststellen.

Bei hochintensivem Training sind Schutzmaßnahmen wichtig

Obwohl die Aerosol-Versuche nur indirekt auf die Intensität der Virenemission schließen lassen, liefert die Studie wichtige Anhaltspunkte für den Indoor-Sport, wenn bei einer Infektionswelle bei schlechter Immunisierung der Bevölkerung die Überlastung des Gesundheitssystems droht.

„Die Messergebnisse zeigen klar, dass die Freisetzung der Aerosolpartikel bei sportlicher Belastung bis zu einer Intensität von bis zu zwei Watt pro Kilogramm nur sehr wenig zunimmt. Bei Belastungen oberhalb von zwei Watt pro Kilogramm hingegen steigt die Freisetzung der Aerosolpartikel exponentiell an. Bis zur maximalen Belastung kann die Freisetzung um das Hundertfache und mehr ansteigen und folglich kann auch das Infektionsrisiko erheblich zunehmen“, erklärt Prof. Kähler.

Um trotzdem einen weitgehend sicheren Aufenthalt in Fitnessstudios zu ermöglichen empfiehlt er Betreibern von Fitnessstudios für wirksame Schutzvorkehrungen zu sorgen. Dazu gehört zunächst ein ausreichendes Platzangebot, so dass Abstände von 1,5 m überall eingehalten werden können. Abstände zu Personen, die länger mit hoher Intensität trainieren, sollten mindestens doppelt so groß sein, oder es müssen Schutzwände installiert werden. Noch besser wäre es, wenn die Ausdauertrainingsgeräte, die sehr hohe Belastungen ermöglichen, ins Freie versetzt werden oder in abgetrennte Bereiche im Innenraum, die sehr gut belüftet sind über fest installierte Lüftungsanlagen.

Mehrere Luftwechsel pro Stunde

Weiterhin ist im gesamten Fitnessstudio sicherzustellen, dass leistungsstarke Lüftungsanlagen betrieben werden, die in der Lage sind die Raumluft häufig auszutauschen. 10 Luftwechsel pro Stunde und mehr sind anzustreben. Darüber hinaus sollten leistungsstarke mobile Raumluftreiniger in besonders kritischen Bereichen eingesetzt werden, wenn die Leistungsfähigkeit der fest installierten Lüftungsanlage nicht ausreichend ist. Ergänzend kann auch über geöffnete Fenster bei großen Temperaturunterschieden zwischen drinnen und draußen oder starkem Wind ein zusätzlicher Luftaustausch ermöglicht werden. Personen die Fitnessstudios nutzen sollten darauf achten, dass diese Schutzmaßnahmen konsequent umgesetzt sind. Ferner sollten sie versuchen die sportliche Betätigung zeitlich zu minimieren oder Trainingszeiten zu wählen, bei denen sich nur wenige Personen im Fitnessstudio befinden. In den Umkleidekabinen sollten FFP2-Masken getragen werden, da diese Räume meist klein und nicht ausreichend belüftet sind. Personen, die an ihrer Leistungsgrenze trainieren, sollten sich bewusstmachen, dass sie im Falle einer Infektion ein erhebliches Risiko für andere darstellen können. Somit sollten sie beim Training stets an den Schutz der anderen Personen denken und sich entsprechend verantwortungsvoll verhalten.


Weitere Informationen zum Institut finden Sie auf der Website des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik >

Einen Bericht des Time Magazins zur Studie finden Sie hier >


Titelbild: © gettyimages/ferrantraite