Warum haben Sie sich in Ihrer Forschung ausgerechnet der Explosionsschutzwirkung von Pflanzen verschrieben?

Paul Warnstedt: Die Idee kam ursprünglich von Professor Norbert Gebbeken. Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 geriet auch in Deutschland das Thema Baulicher Schutz wesentlich stärker in den Fokus. In diesem Zusammenhang wurden für viele öffentliche Gebäude Schutzmaßnahmen gegen terroristische Bedrohungen geplant oder nachträglich implementiert.

Nun wissen wir, dass Abstand den wirkungsvollsten Schutz gegen Explosionsbelastungen bietet. Aber darüber hinaus beeinflussen alle Hindernisse zwischen der Explosion und der zu schützenden Struktur die Explosionsbelastungen und können diese ggf. reduzieren. Daher ist durchaus interessant, ob nicht auch Pflanzen einen nennenswerten Beitrag zur Verringerung dieser Belastungen beitragen können. Als Elemente der Landschaftsarchitektur und der Gestaltung urbaner Räume sind sie enorm wichtig und leisten einen wertvollen Beitrag zur Stadtökologie. Wenn Pflanzen darüber hinaus dem Explosionsschutz dienen können, sind wir einen großen Schritt weiter auf dem Weg zu Schutzsystemen, die der Forderung einer modernen Gesellschaft nach transparenter und offener Architektur genügt. Auch Kombinationen mit anderen Elementen, wie z.B. metallischen Ringgeflechten sind in diesem Zusammenhang denkbar.

Die systematische Erforschung der Explosionsschutzwirkung von Pflanzen hat erst begonnen. Es gibt bereits Ergebnisse aus Sprengversuchen, die die ursprünglichen Erwartungen teilweise sogar übertroffen haben. Beispielsweise konnte mit Thujen die Druckbelastung infolge einer Explosion um ca. 60 % verringert werden, ohne dass die Pflanzen nennenswerte Schäden davontrugen. Diese Ergebnisse können allerdings nicht verallgemeinert werden. Da entsprechende physische Versuchsreihen überaus aufwendig und kostenintensiv sind, entwickeln wir Modelle für die rechnergestützte Simulation dieser Vorgänge.

Für einen Bauingenieur sind diese Fragestellungen teilweise absolutes Neuland. Nicht nur die numerische Modellierung derart filigraner Strukturen stellt eine besondere Herausforderung dar. Bereits für die Vorauswahl geeigneter Pflanzenarten habe ich mir den Rat von entsprechenden Sachverständigen geholt. Aber auch die gesellschaftliche Dimension ist interessant. Als Ingenieure können wir zwar beantworten, wie Schutzsysteme gestaltet sein müssen, um wirkungsvoll zu sein. Wir wissen aber nicht, welche gestalterischen Anforderungen diese Systeme erfüllen müssen, um der Bevölkerung auch ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Als analoges Beispiel seien hier begehbare Verglasungen genannt. Auch wenn die Tragfähigkeit unbestritten ist, kostet es Überwindung, tatsächlich einen Fuß darauf zu setzen. Zudem dürfen moderne Schutzsysteme sind selbst bedrohlich wirken, wie bspw. militärische Schutzbauten. Hier erhoffe ich mir im Rahmen von RISK für die Zukunft Kooperationen mit den Kollegen aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, bei denen die gesellschaftlichen Fragen besser aufgehoben sind.