Störquellen: Setzt Russland Störangriffe gegen das GPS ein?

6 April 2022

Forschende der Universität der Bundeswehr München detektieren und geolokalisieren entsprechende Störquellen.

Kürzlich berichteten Piloten von Navigationsstörungen in der Nähe der russisch-finnischen Grenze. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei um gezielte russische GPS-Störangriffe handelt. Forschende der Universität der Bundeswehr arbeiten daran, solche Störquellen aus dem Weltraum möglichst sensitiv zu detektieren und zu geolokalisieren. Laut den finnischen Behörden ereigneten sich die GPS-Störungen unmittelbar nach dem Treffen der Präsidenten von Finnland und den USA.

Nikolas Dütsch untersucht im Rahmen der dtec.bw-geförderten Kleinsatellitenmission SeRANIS an der Universität der Bundeswehr München solche Störangriffe und erläutert die möglichen Hintergründe dieser Vorfälle: „GPS-Störangriffe können, vereinfacht gesagt, in zwei Kategorien des „Jamming“ und „Spoofing“ unterschieden werden. Beim Jamming wird ein starkes Störsignal in einer Region abgestrahlt, wodurch der GPS Signalempfang blockiert und Empfänger ihre Position nicht mehr berechnen können. Das ist vergleichbar mit zwei Personen, die sich wegen zu viel Lärm nicht mehr unterhalten können“, so Dütsch. Die zwei Personen wären hier im übertragenen Sinne die Satelliten, die die Navigationssignale ausstrahlen und das Navigationsgerät im Flugzeug oder am Boden, das die Signale empfängt und auswertet. Dagegen wird beim Spoofing die Integrität der Positionsinformationen verletzt, in dem manipulierte GPS Navigationssignale ausgestrahlt werden, die zu einer falschen Positionsberechnung am Empfänger führen. Dem Nutzer wird somit eine falsche Position suggeriert. So lassen sich beispielsweise einfache GPS-gesteuerte Drohnen vom Eindringen in bestimmten Gebieten fernhalten.

Störgeräte kann jedermann günstig kaufen

Das Thema ist aktuell wie nie zu vor. „Wir erkennen einen Anstieg solcher Störangriffe auf Navigationssysteme durch Berichte in den Medien“, so Dütsch. Nicht zuletzt liegt das auch daran, das auch für die private Nutzung, Geräte zum Stören und zum Täuschen für wenige Euro über das Internet bezogen werden können. Das absichtliche Aussenden von Signalen in den reservierten Frequenzbändern für Funknavigationsdienste ist dennoch verboten. „Im Zeitalter des teil- und zukünftigen autonomen Fahrens sind die Verfügbarkeit und die Verlässlichkeit der Positionsinformationen zu jeder Zeit unerlässlich“, so Dütsch. Es gibt aber aus Sicht des Forschers nur wenig Grund zur Sorge: Die meisten Anwendungen nutzen eine Vielzahl weiterer Sensoren, die komplett autark arbeiten können und bei kurzeitigem Ausfall von GPS die Navigationsfähigkeit aufrechterhalten können, wie dies beispielsweise mit Trägheitsnavigationssensoren der Fall ist.

Defekte Geräte können unbeabsichtigt Signale stören

Im Rahmen der Kleinsatellitenmission SeRANIS forscht Dütsch an Methoden, solche Störquellen aus dem Weltall zu detektieren, hochgenau zu geolokalisieren und deren Signalstruktur zu charakterisieren. Dabei handelt es sich aber keinesfalls nur um mutwillige Störquellen. Auch unbeabsichtigt können z. B. defekte Geräte Signale ausstrahlen, die GPS und andere Dienste stören. „Mit der Mission legen wir den Grundstein für die weltweite Erfassung von Jamming und Spoofing Vorfällen und liefern wertvolle Beiträge zu Angriffsvektoren, die u. a. für die Steigerung der Robustheit eingesetzt werden können“, so Dütsch.

Das Forschungsprojekt "Seamless Radio Access Networks for Internet of Space" (SeRANIS) ist die weltweit erste und einzige Kleinsatellitenmission, die ein öffentlich zugängliches multifunktionales Experimentallabor im erdnahen Orbit bereitstellt. Auf dem Satelliten der Universität der Bundeswehr München werden simultan mehr als zehn innovative Experimente mit Schlüssel- und Zukunftstechnologien wie Mobilfunksysteme der sechsten Generation (6G) und Internet of Things (IoT) durchgeführt. Besondere Schwerpunkte der New Space Mission sind sichere Kommunikationswege und ein nahtloser Übergang zwischen verschiedenen Netzwerken.

 

Das dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr – ist ein beiden Universitäten der Bundeswehr gemeinsam getragenes wissenschaftliches Zentrum und Bestandteil des Konjunkturprogramms der Bundesregierung zur Überwindung der COVID-19-Krise. Es unterliegt der akademischen Selbstverwaltung. Die Mittel, mit dem das dtec.bw ausgestattet wurde, werden an beiden Universitäten der Bundeswehr zur Finanzierung von Forschungsprojekten und Projekten zum Wissens- und Technologietransfer eingesetzt.


Weitere Informationen zum Projekt SeRANIS unter www.dtecbw.de/seranis.


Titelbild: © gettyimages/ismagilov