Künstliche Befruchtung: Neuartige 3D-Imaging-Technologie

1 September 2022

Forschende der Universität der Bundeswehr München bringen ein intelligentes Bildgebungssystem auf den Markt, das die Qualität von Spermien präziser, ökologisch nachhaltiger und gleichzeitig kostengünstiger messen kann.

Das Biotech-Start-Up “BIOspire”, dessen vier Gründerinnen und Gründer Tülay Aydin, Rahmetullah Varol, Dr. Dirk Stauder und Stephanie Wißmann alle an der Universität der Bundeswehr München forschen und arbeiten, hat ein intelligentes Bildgebungssystem entwickelt, das die Qualität von Spermien präziser, ökologisch nachhaltiger und gleichzeitig kostengünstiger messen kann. Möglich macht dies die neuartige Kombination bewährter Technologien. Die beiden Patentinhaber Tülay Aydin und Rahmetullah Varol studierten Mechatronics Engineering, danach vertieften sie sich in die Themenbereiche “Aerospace” und “Computer Science”. Die Idee, Technologien wie Holographie und Tomographie ins Labor zu überführen kam ihnen während des Masterstudiums.

Ihre Gründungsidee wird vom Gründungszentrum der Universität der Bundeswehr München – founders@unibw – unterstützt. Das Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und das universitäre Kinderwunschzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität waren schnell von der Idee, dem Prototyp und den ersten Ergebnissen überzeugt. Beim Bayerischen Start-Up Wettbewerb schaffte es “BIOspire” auf Anhieb unter die ersten zwanzig Bewerber, erste Investoren haben bereits ihr Interesse bekundet.

Drei Arten von Bildgebungsverfahren

Das neue System kann ein präzises 3D-Bild eines beliebigen halbtransparenten Objekts erzeugen, ohne die Probe zu beschädigen oder zu färben, so dass Ärzte und Labormitarbeiter die äußeren und inneren Strukturen der Probe und ihre Positionen genau betrachten und analysieren können. Dabei werden drei Arten von Bildgebungsverfahren erstmalig zusammen kombiniert: Tomografische Bildgebung, holografische Rekonstruktion und linsenfreie Bildgebungstechnik. Verbunden mit künstlicher Intelligenz wird so erstmals eine vollständige 3D-Abbildung von lebenden Zellkulturen, wie Spermien sie darstellen, ermöglicht. Parameter wie beispielsweise der DNA-Fragmentierungsindex, der bisher nicht zu erfassen war ohne die Lebensfähigkeit der Zelle zu beeinträchtigen, können nun mit mehr als 8o%-iger Genauigkeit gemessen werden. Die inneren Strukturen der Zellen können mit gängiger Mikroskopietechnik nicht beobachtet werden, was häufig zu einer schlechten Auswahl von Spermien und Eizellen führt und damit zu erfolglosen IVF-Versuchen (In-Vitro-Fertilisation; Befruchtung, die in einem Reagenzglas durchgeführt wird).

Das neue System schafft hier Abhilfe. Es setzt auf eine linsenlose Bildgebung (Imaging), also eine Bildgebungstechnik, bei der keine Linse eingesetzt werden muss. Dies ermöglicht dem Betrachter ein bis zu 40-fach größeres Sichtfeld im Vergleich zu herkömmlichen Mikroskopen. Da “BIOspire” zusätzlich ein 3D-Bild erzeugt, ermöglicht das linsenlose Imaging ein 1600-faches Sichtfeld im Vergleich zu herkömmlichen Mikroskopen. So können die Bildgebungssysteme Tausende von Spermien in einem einzigen Bild analysieren. In der Realität bedeutet dies, dass es so möglich sein wird einzelne Spermien in einer bestimmten Probe – die in der Regel einige Millionen Spermien enthält – vollständig zu analysieren. Eine Neuerung, die in dieser Form bisher nicht möglich war.

Nur acht Prozent wollen keine Kinder

Deutschland hat seit Jahrzehnten mit 1,4 Kindern pro Frau eine sehr niedrige Geburtenrate, aber es wird oft übersehen, dass sich die Deutschen eigentlich mehr Kinder wünschen. Insgesamt sind 30 Prozent der 25- bis 59-jährigen Bevölkerung kinderlos, doch nur acht Prozent wollen ausdrücklich keine Kinder oder wollten niemals welche. Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor. Die Zahlen zeigen: Ungewollte Kinderlosigkeit ist kein marginales Thema, sondern betrifft viele und ist existenziell. Weshalb es nicht verwundert, dass daraus eine florierende Industrie erwachsen ist. Seit 1982 wurden in Deutschland 100.000 Kinder nach künstlicher Befruchtung geboren, weltweit sind es 3 Millionen. Schon jetzt ist der Markt für Fruchtbarkeitsmedizin mit weltweit 40 Milliarden Dollar pro Jahr stark angestiegen und er soll weiter wachsen.


Weitere Informationen zu “BIOspire” finden Sie unter www.biospire.ai.


Titelbild: Das Team um “BIOspire” (v.l.n.r.): Tülay Aydin, Stephanie Wißmann, Dr. Dirk Stauder und Rahmetullah Varol (© Haer)