Autor: Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Exzellenter Emeritus Günter W. Hein

09. März 2006: Die Geburtsstunde des interoperablen Signals MBOC des europäischen Satellitennavigationssystems GALILEO

Vier Jahre (2000-04) hat es gedauert, bis Europa mit den USA eine Vereinbarung zur "friedlichen Ko-Existenz" (Kompatibilität und Interoperabilität) von Signalen des europäischen Galileo und dem amerikanischen Global Positioning System (GPS) erzielen konnte. Signaltechnische Grundlagen zur Kompatibilität von Navigationssignalen fehlten ganz. Deshalb musste erst einmal damit begonnen werden, ein mathematisches "Miteinander" von Navigationssignalen im Frequenzband zu entwickeln und Schwellen- und Toleranzwerte zu definieren.

Der Leiter des damaligen Instituts für Erdmessung und Navigation, Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Günter W. Hein, nahm als Vertreter Deutschlands an der Verhandlungsgruppe der Europäischen Kommission teil. Am 26. Juni 2004 kam es zu dem "Agreement on the Promotion, Provision and Use of Galileo and GPS Satellite-based Navigation Systems and Related Applications" zwischen den USA und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Da das Verhandlungsergebnis jedoch nicht ganz den Vorstellungen der europäischen Seite entsprach, wurde vertraglich vereinbart, dass beide Seiten weiter an einer Optimierung des gemeinsamen sogenannten binary offset carrier Signals BOC (1,1) auf der L1-Frequenz arbeiten würden. Über einen Zeitraum von fast zwei Jahren fanden viele Arbeitstreffen statt, die jedoch aufgrund der starren formalen Gepflogenheiten derartiger internationaler Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten.

Inzwischen hatte das Signalteam von Prof. Hein umfangreiche Entwicklungen zur Optimierung des entsprechenden Signals ausgeführt, die die verschiedenen Zielparameter der Signale optimieren konnten, beispielsweise die Genauigkeit, minimale Störungen durch Mehrwegeausbreitung, Erfordernisse der nationalen Sicherheit, etc. Das Ergebnis hat zu einem sogenannten mixed binary offset carrier, dem MBOC-Signal geführt, welches eine gewichtete Kombination von zwei BOC-Signalen darstellt. Die BOC-Modulation toleriert in der Mitte der Signalfrequenzen ein anderes, bereits bestehendes Signal und hat trotzdem eine große Bandbreite. Die Maxima der beiden Seitenträger sind neben dem bestehenden Signal angeordnet.

Grafik MBOC.jpg                                                                                 Links: Originalaufzeichnungen zum MBOC während der Beratungen | Rechts: Neue MBOC Modulation

Die Frage war nun, wie man dieses Ergebnis mit dem amerikanischen und den anderen europäischen Staaten ohne politische und formale Zwänge diskutieren, und eine Akzeptanz für eine zusätzliche Vereinbarung erzielen könnte. Prof. Hein hatte nun die Idee eines „No-Meeting“ - nur mit den amerikanischen und europäischen Experten und ohne politische Vertreter - in der Geodätischen Messkuppel der UniBwM, das er mit Genehmigung der Europäischen Kommission durchführen konnte. Geplant waren informelle Diskussionen über eine Woche. Aber schon nach einem Tag, am 09.03.2006, war die Akzeptanz da: das neue Signal MBOC war geboren!

Am 26. Juli 2007 gaben die Vereinigten Staaten und die Europäische Union ihre Vereinbarung bekannt, gemeinsam ein verbessertes Design für das gemeinsame Signal zu verabschieden und bereitzustellen. Dieses interoperable Signal ist nun im Galileo Open Service, in GPS IIIA, und allen anderen GNSS implementiert.

Prof. Hein erhielt 2017 mit seinem Team den „European Inventor Award“ des Europäischen Patentamts für die Galileo Signalentwicklung.

 


Titelbild: Mitglieder der US/EU-Arbeitsgruppe feiern vor der Geodätischen Messkuppel ihre Übereinstimmung zur MBOC Modulation für das gemeinsame GPS und Galileo L1 Signal: (von links nach rechts) Chris Hegarty (USA), Tony Pratt (UK), Jean-Luc Issler (F), John Owen (UK), Jose-Angel Avila-Rodriguez (UniBw M), John Betz (USA), Sean Lenahan (USA), Stefan Wallner (UniBw M), und Günter W. Hein (UniBw M). 

Portrait Prof. Hein: Quelle: epo.org

 

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