Forschungsschwerpunkte sind Halbleitertechnologie und Halbleiterbauelemente, sowie Sensorik für die Messung von chemischen und biologischen Parametern. Ziel der Aktivitäten ist es, in Zusammenarbeit mit anderen Instituten und der Industrie den Bogen von der Grundlagenforschung bis hin zur industriellen Anwendung zu spannen. Durch die Betätigung sowohl an der UniBw M als auch an der FhG-EMFT, an der Pilotlinien für Silizium-Halbleiterfertigung und flexible Elektronik vorhanden sind, ergibt sich die Möglichkeit, neue und innovative Sensorkonzepte schnell in Prototypen und Kleinserien umzusetzen. Lesen Sie hier einen ausführlichen Auszug aus der Forschung zum Thema Messungssensorik >

Ansprechpartner

Univ.-Prof. i. R. Dr. rer.nat. Ignaz Eisele
Exzellenter Emeritus
Institut für Physik
Tel: +49 172 8122669
E-Mail: ignaz.eisele@unibw.de

Mit Röntgenaugen analysieren – Spitzenforschung für den Mittelstand

Prof. Dr. I. Eisele, Center Integrated Sensor Systems (SENS), Universität der Bundeswehr München

Ein Leben ohne unsere Augen als Sensoren ist nur schwer vorstellbar. Betrachtet man aber das gesamte zur Verfügung stehende Strahlungsspektrum, dann erfasst das menschliche Auge nur einen sehr kleinen Ausschnitt, das sogenannte sichtbare Spektrum (Abb. 1). Viele “Bilder” und deren Geheimnisse bleiben uns deshalb verborgen. Diese unsichtbaren Welten für uns sichtbar zu machen ist die Aufgabe von Strahlungssensoren. Einer dieser “unsichtbaren” Bereiche ist die Röntgenstrahlung (Englisch: X-ray), die Informationen über Materialeigenschaften gibt, die unseren menschlichen Sinnesorganen nicht zugänglich sind.


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Abb. 1: Strahlungsspektrum und Wellenlänge (© Prof. Ignaz Eisele)


Materialanalyse und Materialsortierung mit Hilfe von Röntgenstahlen gehört heute zu den Standardverfahren der zerstörungsfreien Messmethoden. Insbesondere die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF: X-ray Fluorescence Spectroscopy) ist ein oft eingesetztes Verfahren. Als geeignete Sensoren haben sich in den letzten Jahren fast ausschließlich Silizium-Driftdetektoren (SDD) etabliert, die dank der intensiven Forschung und Entwicklung in der Halbleitertechnologie bereits ab Raumtemperatur optimale spektroskopische Eigenschaften aufweisen und in kleinster Bauform selbst bei Dauerbetrieb (24 Stunden/7 Tage pro Woche) hervorragende Energieauflösung erzielen.

Der Weltmarktführer für SDD-Sensorsysteme (Abb. 2) mit derzeit 65% Marktanteil  ist die KETEK GmbH – ein mittelständiges Unternehmen mit Sitz in München – dessen Aufstieg und Erfolg eng mit dem Institut für Physik der UniBw M und dem Forschungszentrum SENS verknüpft ist. Seit den 90er Jahren werden hier gemeinsam innovative Lösungskonzepte entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer EMFT zur Fertigungsreife gebracht.


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Abb. 2: KETEK SDD-Detektormodule mit Auswerte-Elektronik (© KETEK GmbH)


Ausgangspunkt sind innovative Halbleitertechnologien für die Chip-Fertigung und neuartige Charakterisierungsmethoden, die gemeinsam entwickelt und in Produkte umgesetzt werden. Hochohmige Siliziumsubstrate, die als Ausgangsmaterial für SDDs dienen, und im Gegensatz zu klassischen Halbleiterherstellungsprozessen beidseitig prozessiert werden, erforderten die Neu-Entwicklung und den Einsatz von hochreinen und qualifizierten Prozessschritten. In Kombination mit ausgeklügelten Verläufen der Prozesstemperaturen ist es mittels der SENS- Reinräume gelungen, dass Weltrekorde bezüglich der Energieauflösung der Sensoren aufgestellt werden konnten und der flächenmäßig größte SDD am Weltmarkt angeboten wird.     

Ein weiterer Schwerpunkt für ein komplettes SDD-Sensorsystem ist die Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT). Für die erforderliche hermetische Einkapselung des Sensor-Chips in ein Gehäuse spielt das Eintrittsfenster für die Röntgenstrahlung die entscheidende Rolle. Hier gelang KETEK an der UniBwM mit der weltweit ersten Anwendung von Graphen an Stelle des bis dato verwendeten, hochgiftigen Elements Beryllium ein entscheidender Durchbruch. Graphen besitzt im Vergleich eine wesentlich bessere Transmission für Röntgenstrahlen und ist zusätzlich mechanisch extrem belastbar. Diese freistehenden Graphen-Fenster mit Schichtdicken kleiner 150 [nm] und Durchmessern größer 10 [mm] haben den neuen „Gold Standard“ für Eintrittsfenster gesetzt. Zudem ist es selbst für kleinste Atome wie Helium gasdicht und kann somit auch unter extremen Bedingungen eingesetzt werden.

Auch im Bereich der Auswerte-Elektronik wurden im Laufe der letzten Jahre in Zusammenarbeit mit SENS deutliche Verbesserungen erzielt. Für die industrielle Anwendung der Detektoren stellt der Probendurchsatz den entscheidenden Kostenfaktor dar. Durch die Entwicklung von schnellen Signalverstärkern konnte die Messzeit deutlich verkürzt werden. Eine Auswertung der Daten erfolgt mittels dezentraler Rechnerstrukturen, Edge Computing mit Cloud Lösungen, KI und „Machine learning“. Damit kann die Messzeit einer kompletten chemischen Materialanalyse mit Rasterelektronenmikroskopen (REM) in Kombination mit einer chemischen EDX (Energy Dispersive X-Ray) Analyse von Tagen auf Minuten verkürzt werden. Diese Tatsache ermöglicht eine Echtzeitanalyse, d.h. kritische Bereiche einer Probe können sofort erkannt und detailliert analysiert werden.

Weil er mit Hilfe der Röntgenfluoreszensanalyse (XRF) den Gehalt von Metallen im Gestein bestimmen kann, flog der KETEK SDD Detektor erstmals 2004 auf den Mars, um den Menschen neue Erkenntnisse über den fremden Planeten zu ermöglichen (Abb. 3). Mittlerweile sind bereits mehrere Detektoren auf dem Mars im Einsatz und auch in der letzten NASA-Mission „Perseverance“ sowie dem indischen Chandrayaan-3 Moon Rover wurden KETEK SDDs wegen ihrer exzellenten Leistungsfähigkeit und extremen Robustheit gewählt. Diese Stabilität spielt bei Einsätzen im Weltraum eine entscheidende Rolle, da die Detektoren ständig einer kosmischen Strahlung ausgesetzt sind und trotzdem über viele Jahre einwandfrei ihre Funktion erfüllen müssen.


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Abb. 3: Mars-Roboter mit KETEK-SDD (Courtesy NASA/JPL-Caltech)


Unter extremen Bedingungen – hohe Umgebungstemperaturen und bis zu 50-fache Erdbeschleunigung - wird der KETEK-Detektor auch für den gezielten Abbau von Erzen eingesetzt. Mit riesigen Bergbau-Baggerschaufeln wird Gestein abgebaut, zerkleinert und über zügig fahrende Transportbänder bewegt. Um zu erkennen, welche Steine ausreichend Erze enthalten und welche aus taubem Gestein bestehen und bereits am Transportband aussortiert werden müssen, sind SDD-Detektoren im Einsatz (Abb. 4). Die dafür notwendigen Echtzeit-Messungen sind in wenigen Millisekunden durchzuführen und erfordern hohe Signalübertragungsraten des Sensors.


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Abb. 4: Sortieren von Erzen mit SDD-Kontrolle (© KETEK GmbH)


Die rasante Entwicklung von einem Start-up Unternehmen zum Weltmarktführer von SDD-Detektorsystemen ist eine Erfolgsgeschichte, die nur durch eine enge Verknüpfung verschiedener technischer Disziplinen von der Materialphysik über die Elektronik bis zur Datenerfassung und -auswertung ermöglicht wurde. Dieser Aufstieg ist eng mit den Entwicklungen in den Reinräumen der UniBw München und der Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum SENS verknüpft. Es dient als eindrucksvolles Beispiel, dass in Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen weltweit anerkannte Spitzenforschung erfolgreich in Produkte umgesetzt werden kann.