Kriegsberichterstattung als Beruf

20 Oktober 2022

Susanne Glass, eine Auslandskorrespondentin mit über 20 Jahren Auslandserfahrung, hat den Studierenden an der Universität der Bundeswehr zu Beginn des Herbsttrimesters 2022 von dieser Zeit berichtet. Nachdem sie bei der Süddeutschen Zeitung und dem Bayrischen-Rundfunk in der Redaktion gearbeitet hat, geht sie mit 29 Jahren für die ARD als Auslandskorrespondentin in den Kosovo. „Ich bin gegangen ohne das Wissen, was Auslandskorrespondenten brauchen könnten. Seitdem war ich die letzten 23 Jahre im Ausland.“, berichtet sie während des Vortrags. Die Arbeit als Berichterstatterin in Kriegen und Krisen hat ihr Leben geprägt, sagt sie.

Trotz der vielen Bedenken ihrer Vorgsetzten, , besonders dazu, was Frauen in Kriegsgebieten geschehen könnte, verließ sie das Deutschland, um als Außenkorrespondentin zu berichten. Dort angekommen hat sie  meist in gemischten Teams aus Männer und Frauen gearbeitet. „In erster Linie sollten Sie wissen, dass das Ausland kein Nine-to-Five-Job ist und dass Sie morgens nie wissen, wie der Abend endet.“ Ein Tag könne schnell zu zwei Wochen Aufenthalt in einem fremden Land werden, so Susanne Glass. Die Probleme, die dabei auftreten können, beziehen sich nicht auf die Berichterstattung im Land, sondern auch auf die, die zuhause entstehen, weil man selbst nicht vor Ort sein kann. Diese Erfahrung hat ihr gesamtes Team machen müssen. Sprachkenntnisse sind immer gut, wichtiger ist jedoch eine funktionierende Infrastruktur vor Ort, so Susanne Glass. Immer wieder werden Informationen, Dolmetscher:innen und Mitfahrgelegenheiten gesucht. Selten wüsste man deshalb vorab, mit wem man in dem Land zusammenarbeitet und wer von diesen Personen vielleicht ein eigenes Interesse verfolgt. Menschenkenntnis und Recherche seien deshalb das „A und O“ des Jobs. Damals gab es kein Fernzugriff auf Agenturmaterial, man konnte nur berichten, was man selbst gesehen hatte. Heute kann Susanne Glass aus dieser Erfahrung heraus sagen, Schnelligkeit sei gut, aber lieber arbeitet sie gewissenhaft und qualitativ hochwertig, als einen schlechten Beitrag abzugeben oder aufgrund der Schnelligkeit ihr Leben zu riskieren.

Susanne Glass zeigt den Studierenden  selbst produziertes Filmmaterial aus Sarajevo und dem Gaza-Streifen. „Nachdem man Bilder aus Kriegsgebieten gesehen hat, merkt man, wie irrelevant Gespräche über Rentensicherungen in Deutschland werden“, so Susanne Glass.  Einmal sei ein Wagen direkt vor ihnen auf eine Mine gefahren, dieses Erlebnis lässt sie seitdem nicht mehr los. Auch im eigenen Land bleiben dann plötzlich Sicherheitsgewohnheiten aus dem Kriegsgebiet weiterhin bestehen. Bei der ARD gibt es glücklicherweise für alle Mitarbeitenden die Möglichkeit einer psychologischen Begleitung, diese wird jedoch oft nicht genutzt, sagt Susanne Glass.

Die kritischen Fragen der Studierenden zu den Bereichen digitaler Journalismus, Quellenrecherche, Fake-News und dem Umgang mit vermutlich psychisch belastenden Themen und Bildern wurden von Susanne Glass mit Begeisterung aufgenommen und detailliert beantwortet, wodurch eine anregende Diskussion unter allen Beteiligten entstanden ist und ein sehr hochwertiger Austausch stattfinden konnte. Susanne Glass wendet sich hier besonders an die Studierenden: „Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie mitverantwortlich dafür sind, wie das Image dieses Landes und der Menschen dargestellt wird.“ Auslandskorrespondenten tragen eine hohe Verantwortung und sollten auch mit dem Umgang von Quellen dementsprechend sensibel damit umgehen. Auch wenn Personen oft zu kritischen Aussagen bereit wären und sich der Gefahr dieser Aussagen bewusst seien, sollten die Berichterstatter:innen immer selbst prüfen, ob und welche Gefahren sie Interviewpartner:innen aussetzen. Das dies nicht immer klappen kann, hat die Vergangenheit leider bewiesen, auch wenn es bei ihr selbst nicht der Fall war, so Susanne Glass.

Glücklicherweise stößt man als Auslandskorrespondentin nicht nur auf Kriegsgebiete, sagt Susanne Glass. Sie persönlich durfte auch vom Eurovision Songcontest in Wien, Belgrad und Israel berichten. Auch eine Europameisterschaft gehörte dazu. Bei den Studierenden des Moduls Qualität im Journalismus unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Kretzschmar und der Frau Linda Henke hat dieser Vortrag einen bleibenden positiven Eindruck hinterlassen.

Von Timo Storjohann