Chemie und Mineralogie

Für die moderne Baustoffanalytik sind zum Teil sehr komplexe Verfahren erforderlich. Sie können sowohl einzeln als auch in Kombination eingesetzt werden, um zum Beispiel einen Einblick in die Wirkung unterschiedlicher Betonzusatzmittel und -stoffe auf den Verlauf der Zementhydratation zu gewinnen und die dabei entstehenden Reaktionsprodukte zu identifizieren. Die Ergebnisse können dann im weiteren Verlauf herangezogen werden, um die Resultate nachfolgender Untersuchungen wie Festigkeit oder Dauerhaftigkeit zu erklären.

Chemielabor

Im Chemielabor werden nasschemische Untersuchungen im Rahmen von Industrie- und Forschungsvorhaben durchgeführt. Ferner werden die Proben für die apparative Analytik vorbereitet und Orientierungsversuche durchgeführt. Das Labor verfügt neben Photometer und automatischen Titriergeräten über zahlreiche weitere Gerätschaften.

 
Schneller Chlorideindring-Versuch (Rapid Chloride Penetration Test (RCPT))

Bei diesem Verfahren wird das Eindringen von Chloridionen in eine Probe durch das Anlegen einer äußeren elektrischen Spannung forciert. Mit der Methode können die Wirkungen verschiedener Bindemittel auf den Widerstand eines Betons gegen das Eindringen von Chloriden untersucht werden. Dies ist unter anderem in der Nähe von Straßen wichtig, wo die Stahlbewehrung im Beton gegen das aus dem Streusalz eingebrachte Chlorid geschützt werden muss.

 Probekörper für Rapid Chloride Migration Test

Bild: RCPT-Zelle

 
Lösungsmitteldetektion durch Thermographie

In Baustoffe eingedrungene Lösungsmittel stellen eine erhebliche Gefahr für Gesundheit, Umwelt und Brandsicherheit dar. Während langsam verdunstende Flüssigkeiten an Spaltflächen noch durch Anschauung bestimmt werden können, ist dies bei schnell verdunstenden Flüssigkeiten unmöglich. Diese hinterlassen jedoch noch lange (bis 15 Minuten) eine "Spur" in Form der Verdunstungskälte, die mit einer Thermografiekamera sichtbar gemacht und ausgemessen werden kann. Dazu wird jeder Temperatur eine charakteristische Farbe zugeordnet.

Bild eines Betonprobekörpers, in den Hexan bis zu 7 cm eingedrungen ist

Bild: Thermografien eines Betonprobekörpers, in den Hexan bis zu 7 cm eingedrungen ist

Röntgendiffraktometrie

Das Röntgendiffraktometer wird für die Untersuchung des kristallinen Phasenbestandes mineralischer Baustoffe, wie Zement, Beton, Kalksandstein und vieler anderer genutzt. Es können sowohl trockene Pulver als auch temperierte Proben im Bereich von 3 °C bis 70 °C untersucht werden. Instationäre, sogenannte In-situ-Messungen, verfolgen die Veränderung des Phasenbestandes an reagierenden Proben, wie zum Beispiel an hydratisierenden Zementstein.

Detail des Röntgendiffraktometers

Bild: Empyrean Röntgensystem der Firma PANalytical mit Kupfer Anode und PiXcel1D Detektor

Röntgenstrahlen werden aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge von ca. 10-10m (1 Å) zu Messungen im Gebiet atomarer Dimensionen eingesetzt,  da deren charakteristische strukturelle Perioden ebenfalls im Bereich von wenigen Å liegen. Die Methode basiert auf der Beugung von monochromatischen Röntgenstrahlen an Netzebenen von Kristallen. Die gebeugten Strahlen weisen einen Gangunterschied auf und interferieren gemäß dem Bragg'schen Gesetz. Die Winkel, unter denen konstruktive Interferenz auftritt, stehen in direktem Zusammenhang zu den Netzebenenabständen, und somit zur Kristallstruktur der analysierten Mineralphasen. Aus diesen Informationen kann der kristalline Phasenbestand der analysierten Probe qualitativ und quantitativ bestimmt werden. Die Quantifizierung erfolgt mit der Rietveld-Methode, bei der ein aus den Strukturdaten der vorhandenen Phasen berechnetes Diffraktogramm an  das gemessene Diffraktogramm angenähert wird.

 bragg-Brentano.png

Bild: Bragg'sche Gesetz – Bedingung für konstruktive Interferenz

 KS-XRD.png

Bild: Diffraktogramm eines Feinsandes

Differentialthermoanalyse

Thermogravimetrie und Differentialthermoanalyse (TGA-DTA

Während eine Substanz auf dem Versuchsträger langsam erwärmt wird, werden deren Gewichts- und Enthalpieänderungen (= Wärmeaufnahme / -freisetzung) registriert. Das Verfahren wird als Simultane Thermische Analyse (STA) bezeichnet und kann sinnvoll für alle Stoffe genutzt werden, die im Bereich von 20 ... 1600 °C einer Reaktion unterliegen.

Die Erfassung von Stoffen, die während der Temperaturerhöhung abgehen (z. B. Kristallwasser) oder sich anlagern (z. B. Sauerstoff) sowie Strukturumlagerungen ermöglichen einen Einblick in Reaktionsmechanismen und die mengenmäßige Bestimmung der umgesetzten Stoffe.  Häufige Anwendungsgebiete sind u.a. die Untersuchung mineralischer Stoffe (z. B. die Entwässerung von Tonen und die Klinkerphasenbildung in Zementrohmehlen) oder die Charakterisierung von Kunststoffen. Komplexe Stoffgemische sind schwer interpretierbar, weil sich verschiedene Prozesse überlagern können. 

Bild 1 STA.JPG

Bild: Simultane Thermische Analyse-Apparatur STA 449 F3 Jupiter der Fa. Netzsch

Bild 2 Hydratation.png

Bild: Die temperaturabhängige Freisetzung von Wasser ermöglicht Untersuchungen zur Zementhydratation. 

 

TGA-IR-Kopplung

Die Simultane Thermische Analyse lässt vor allem bei komplexen Stoffgemischen nicht immer klare Rückschlüsse zu, welcher Stoff für die Gewichts- und Enthalpieänderungen verantwortlich ist. Hierzu bedarf es einer Analyse der bei STA-Messungen austretenden Gase durch die Kopplung an ein Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer (FT-IR-Spektrometer). Die Kombination erfolgt durch eine beheizbare TGA-IR Gaszelle, die über eine extrem gut gedämmte Transferleitung mit dem Gasaustritt der STA verbunden ist.

Bild 3 TGA IR Kopplung.JPG

Bild: Nicolet iS10 FT-IR Spektrometer mit TGA-IR Gaszelle und Transfer-Line sowie STA 449 F3 Jupiter

Das gekoppelte System eignet sich unter anderem zur Identifikation von Kohlenstoffträgern (z.B. Erdöl) in mineralischen Baustoffen und zur Polymeranalyse.Bild4 Thermoanalyse gekoppelt mit Infrarotspektroskopie.png

Bild: Thermoanalyse gekoppelt mit Infrarotspektroskopie

Infrarotspektroskopie

Fourier-Transform-Infrarotspektrometer (FT-IR)

Die IR-Spektroskopie ist ein physikalisches Analyseverfahren, welches mit infraroter Strahlung arbeitet und zu den Methoden der Molekülspektroskopie gehört. Bei der Bestrahlung eines Stoffes mit infraroter Strahlung werden bestimmte Frequenzbereiche absorbiert. Die Absorptionsbanden sind im gemessenen Spektrum sichtbar und können Energiezuständen in Molekülen zugeordnet werden. Die Lage der Absorptionsbanden ist charakteristisch für die jeweiligen Bindungen (⇒ funktionelle Gruppen), daher ist eine Strukturaufklärung (⇒ Identifikation von Materialien) möglich. Einschränkend ist zu beachten, dass nur bei  IR-aktiven Molekülen eine Wechselwirkung zwischen elektromagnetischer Strahlung und dem Molekül auftritt. Die Messung erfolgt im Spektralbereich  von 7800 cm-1 bis 350 cm-1 mit ATR Kristallplatten aus Diamant und Germanium (ATR: attenuated total reflection, dt. abgeschwächte Totalreflexion).

Bild 5 FT-IR.jpg

Bild: Nicolet iS10 FT-IR Spektrometer der Fa. Thermofisher Scientific

 
Chemische Analytik

Es sind folgende Messungen möglich:

  • Messung an flüssigen und festen Proben (⇒ Oberflächenuntersuchung)
  • Identifikation organischer Substanzen (⇒ Strukturaufklärung) und Alterung von Kunststoffen
  • Quantitative Bestimmung von bekannten Substanzen
  • In-situ-Spektroskopie (⇒ Serienaufnahme)
Identifikation von organischen Bestandteilen in einem Rohton mittels IR

Bild: Identifikation von organischen Bestandteilen in einem Rohton mittels IR

Gasanalytik

Eine zusätzliche Option ist die Gasanalytik. Hier wird das zu untersuchende Gasgemisch in eine IR-Gaszelle geleitet, die alternativ in das Gerät eingesetzt werden kann.  Ein Beipiel ist eine IR-Transmissions-Messung durch Kopplung mit der Simultanen Thermischen Analyse (STA) (TGA-IR-Kopplung).