Neujahrsempfang

20 Januar 2011

Rund 300 Gäste waren am 19. Januar der Einladung zum Neujahrsempfang der Militärseelsorge an der Universität der Bundeswehr München gefolgt. Den Grund für das große Interesse an der Veranstaltung schätzte Pfarrerin Dr. Barbara Hepp realistisch ein: „Sie sind bestimmt nicht nur wegen unserer netten Einladung hier, sondern wegen ihm.“ Ihm – damit war Dr. Joachim Gauck gemeint, der in diesem Jahr den Festvortrag hielt. Und tatsächlich waren es wohl seine Persönlichkeit und sein Lebensweg, die viele dazu bewogen, die Chance zu nutzen, ihn einmal live zu erleben: Gauck, den Publizisten und Pastor, den Bürgerrechtler und ehemaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, den begnadeten Redner und Beinahe-Bundespräsidenten.

Liebe zur Freiheit

Ohne Redemanuskript und sehr persönlich sprach Gauck über den Wert der Freiheit. Er wurde 1940 in das NS-Regime hineingeboren und wuchs im SED-Regime auf – in Diktaturen, die keinen Freiraum ließen. Damit erklärt er seine Freiheitsliebe: „Was wir vermissen, danach sehnen wir uns besonders stark. Ich bin mir sicher, meine Liebe zur Freiheit nie zu verlieren.“ Deshalb setzt er sich intensiv dafür ein, die Errungenschaften der westlichen Demokratie zu würdigen und zu verteidigen: Gewissensfreiheit und Meinungsfreiheit, Freiheit der Forschung und Freiheit der Religion, Versammlungsfreiheit und Veröffentlichungsfreiheit, die Grundrechte und die Menschenrechte. Manchmal entsetze es ihn, so Gauck, wie wenig diese Werte manchen bedeuten. „Ich hatte während der Finanzkrise den Eindruck, die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, der erste Artikel des Grundgesetzes laute ‚die Besitzstandswahrung ist unantastbar'.“ Auch einem Systemwechsel, wie ihn die Linke propagiert, erteilte er eine Absage. Man müsse den Skeptikern des westlichen Demokratiemodells widersprechen: „Die parlamentarische Demokratie ist ein lernfähiges und zukunftsfähiges System.“

Der schönste Satz der deutschen Politikgeschichte

Den beim Neujahrsempfang anwesenden Soldaten sprach er seinen Respekt gegenüber ihrem Beruf aus. Er folge gerne und oft Einladungen der Bundeswehr. Die parlamentarische Demokratie brauche die Bundeswehr ebenso wie sie die Polizei oder die Richter zur Verteidigung ihrer Werte braucht. Keine Generation, so Gauck, habe in Deutschland jemals eine so lange Zeit in Freiheit, Frieden, Sicherheit und Wohlstand gelebt, wie die Westdeutschen seit dem 2. Weltkrieg. Für ihn als Bürger der DDR ist die parlamentarische Demokratie erst mit der Wende 1989/1990 Wirklichkeit geworden. Der Satz „Wir sind das Volk“, den die Bürgerrechtler bei ihren Protestmärschen skandierten, ist für ihn „der schönste Satz der deutschen Politikgeschichte“: Mit diesen vier Worten holten sich die Bürger die Macht zurück.  

Ohne Verantwortung verkommt alles

Das Wendeereignis hätten die Menschen als aufregende und wunderbare „Befreiung“ erlebt. Doch Befreiung ist kein Dauerzustand, erklärte Gauck. Die Freiheit zu gestalten, koste Anstrengung, Geduld und Verantwortung. Freiheit bedeutet eben nicht „ich darf alles“, betonte er. Deshalb setzt er sich nicht für die „Freiheit der Übermütigen“ ein, sondern für eine „Freiheit als Verantwortung“. Menschen seien verantwortungsfähig und darauf ausgelegt, ein Leben in Beziehungen zu führen: Sie können Verantwortung für sich und für diejenigen, die neben ihnen stehen, übernehmen. So trage jeder an seiner Stelle zu einem Leben in Verantwortung und Freiheit bei. Denn „ohne Verantwortung verkommt alles“, schloss Gauck seinen Vortrag, für den es viel Applaus gab.

 

Erscheinungsjahr: 2011
Filmlänge: 90 Min.
Format 16:9 PAL
Medien: DVD

Eine Produktion des Medienzentrums der Universität der Bundeswehr München