Motivation

Eine Radartarnung kann nur unter großem Aufwand an bestehenden Flugzeugen nachgerüstet werden. Sie sollte daher direkt bei der Entwicklung berücksichtigt werden. So muss beispielsweise die Form der Flugzeuge sowie die Triebwerksintegration so gestaltet werden, dass das Luftfahrzeug einen möglichst geringen Radarquerschnitt sowie niedrige Infrarot- und Schallsignaturen hat. Radarabsorbierende Materialien spielen dabei eine zentrale Rolle.

Die derzeit in Kampfflugzeugen verwendeten Tarnmaterialien bedürfen eines hohen Wartungsaufwandes und reagieren empfindlich auf Umwelteinflüsse. Insbesondere im Hinblick auf gemeinsame europäische Rüstungsprojekte sollen Expertise und Fertigungstechnologien für Tarnmaterialien mit entsprechender Zulieferkette in Deutschland und Europa aufgebaut werden.

Das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) in Erding erforscht seit Jahren geeignete Materialien, um Luftfahrzeuge leichter, stabiler und funktionaler zu bauen. Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Firma AIRBUS und dem Institut für Leichtbau an der Universität der Bundeswehr (UniBw M) in München wurde Anfang Dezember 2022 ein gemeinsames Technikum für Tarnmaterialien in Erding eröffnet, in dem die Kooperationspartner gemeinsam eine neue Generation von Tarnwerkstoffen erforschen und entwickeln wollen. Das Forschungsvorhaben wird in enger Kollaboration unter mehreren Doktoranden an den verschiedenen Standorten bearbeitet.

Im Mittelpunkt des Projektschwerpunktes am WIWeB stehen die Konzeptionierung und Ausarbeitung von neuen Fertigungsverfahren zur Herstellung geeigneter Faser- oder Faser-Matrix-Halbzeuge zum Einsatz in radarabsorbierenden bzw. radargetarnten Strukturen. Dabei wird das Ziel verfolgt die grundlegenden Wirkmechanismen in den neuartigen Materialien zu verstehen und gezielt beeinflussen zu können.

Im ersten Schritt werden systematisch geeignete Fertigungskonzepte und Materialkombinationen zur Einbringung der gewünschten Eigenschaften erkundet. Hierfür ist es notwendig bereits die Rohmaterialien entsprechend zu charakterisieren. Um potenzielle stoffliche Zusammensetzungen vorab einschätzen zu können, sollen bereits bestehende Lösungen hinsichtlich ihrer Effektivität und Optimierbarkeit untersucht werden. Anschließend werden die technischen Lösungsräume für die Weiterverarbeitung der Ausgangsmaterialien, beispielsweise in Form von Suspensionen, definiert.

Im weiteren Verlauf sollen Fertigungskompetenzen zur Gewinnung von absorbierenden Faserverbund-Halbzeugen aufgebaut werden. Hier gilt ein Fokus dem systematischen Verständnis von Prozessparametern, um eine optimale Wirkung und Einstellbarkeit der gewünschten Materialeffekte erzielen zu können. Im Zuge des Aufbaus des Technikums sollen alle entstandenen Materialien elektro-magnetisch charakterisiert werden.

Vorgehensweise

Recherche, Auswahl und Charakterisierung von Rohmaterialien

  • Erarbeitung einer Zusammenstellung radarabsorbierender Füllstoffe
  • Festlegung relevanter Kennwerte zur Evaluierung der Materialeignung
  • Bestimmung von Materialparametern wie z.B. Partikelgrößenverteilungen und Form

 

Entwicklung einer Verarbeitungsstrategie und Fertigungsanlage im Labormaßstab

  • Entwicklung und Beurteilung von Füllstoffsuspensionen zur Weiterverarbeitung in Folgeprozessen
  • Optimierung einer Methode zur Einbringung von radarabsorbierenden Materialien in den Faserverbund
  • Konstruktion und Implementierung einer Anlage zur Herstellung von befüllten Faser-Matrix Systemen, bzw. Halbzeugen
  • Identifizieren und Validieren einer reproduzierbaren Messmethodik zur Füllstoffbestimmung in den hergestellten Faserverbundbauteilen
  • Beurteilung und potenzielle Integration einer In-Situ Prozessüberwachung

 

Charakterisierung und Vermessung der Materialien

  • Optische Analyse von Querschnitten, z.B. Schliffbilder, mittels Mikroskopie und REM
  • Mechanische Qualifizierung anhand genormter Verfahren, z.B. Zugversuche, DMA, Impact
  • Elektromagnetische Vermessung und Vergleich mit Simulationsergebnissen, sowie Beurteilung hinsichtlich Eignung für Anwendung als Werkstoff für Radarabsorber
  • Korrelation des Einflusses von Füllstoffen auf mechanische und elektromagnetische Materialeigenschaften

 

Simulation

  • Zusammenstellung eines ein- oder mehrlagigen Schichtaufbaus aus den befüllten Materialien
  • Optimierung der Zusammenstellung hinsichtlich der Absorptionseigenschaften und der erzielbaren Bandbreite
  • Elektromagnetische Simulation des resultierenden Designs mit einem numerischen Verfahren (z.B. FEM) und Vergleich mit Messungen
  • Untersuchung der Absorptionseigenschaften für schräge Einfallswinkel oder gekrümmte Oberflächen

Ausblick

Radarabsorber können in vielerlei Formen an Flugzeugen Einsatz finden. Da verfügbare Lösungen, gesehen auf die Flugzeit, sehr wartungs- und damit kostenintensiv ist, wird in zukünftigen Entwicklungen verstärkt auf robuste Absorber Systeme gesetzt. Vielversprechend ist daher die Neuentwicklung eines radarabsorbierenden Materials (RAM) auf Basis von Faserverbundwerkstoffen.

Durch die Ergänzung von elektrischen oder magnetischen Materialien in den Verbund verspricht man sich die Integration absorbierender Eigenschaften in robusten Bauteilen zum vielfältigen Einsatz am Flugzeug. Erste Materialdemonstrationen wirken vielversprechend.

Die mit dem Forschungsvorhaben gewonnenen Erkenntnisse sollen genutzt werden, um Kompetenzen im Bereich Low Observability (LO) national zu erweitern. Alle Projektpartner engagieren sich, mit dem Ziel Tarntechnologie Made in Germany weiter voran zu treiben.

Projektpartner

  • DLR (Oberpfaffenhofen)
  • Airbus Defence & Space (Manching)
  • Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Betriebsstoffe (Erding)

Ansprechpartner am Institut für Leichtbau