Kooperative Lokalisierung und Kartierung in unstrukturierter Umgebung

Gängige SLAM (Simultaneous Localization And Mapping)-Verfahren verwenden keine Vorabinformationen über die Umwelt. Sie schätzen die wahrscheinlichste Karte und Position aus einer Reihe von Beobachtungen. Um den akkumulierten Positionsfehler zu korrigieren, muss jedoch eine Schleifenschließung durchgeführt werden. Dies ist nicht immer möglich, vor allem bei autonomen Fahr-, Rettungs- und Überwachungseinsätzen, wenn eine vorgegebene Position schnell und direkt angefahren werden muss. Zudem werden für die sichere Lokalisierung und Navigation oft hochgenaue Karten benötigt. In unstrukturierter Umgebung mit viel Vegetation und abseits von Autobahn und Großstadt sind diese jedoch nur eingeschränkt oder gar nicht verfügbar.

In dieser Dissertation wird ein kooperatives SLAM-Verfahren vorgestellt, welches einem Fahrzeug die Lokalisierung an Orten ermöglicht, die noch nie zuvor aktiv mit Sensorik wahrgenommen wurden. Inspiriert von den kognitiven Fähigkeiten des Menschen erfolgt die globale Lokalisierung entlang einer Wegbeschreibung, der sogenannten Pfad-Karte. Die Pfad-Karte ist eine topologisch-metrische Beschreibung der Umgebung und kann automatisiert, beispielsweise auf Basis von OpenStreetMap Daten, generiert werden. Durch die Integration der Pfad-Karte im SLAM-Verfahren kann der akkumulierte Positionsfehler ausgeglichen und die lokale SLAM-Karte global referenziert werden, um die aktualisierte Karte anderen Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen. Dafür werden die Ergebnisse einer Monte Carlo Lokalisierung mit neuartigem Messmodell zur globalen Lokalisierung, eines Multi-Target Trackingverfahrens zur Landmarkenbestimmung sowie einer B-Spline-basierten Straßenverlaufsschätzung in einem Graph-SLAM Ansatz probabilistisch fusioniert.

Für die Navigation in unstrukturierter Umgebung ist neben den Landmarken zur Lokalisierung auch ein Szenenverständnis der Umgebung nötig. Durch ein neuartiges LiDAR (Light Detection And Ranging)-sensorbasiertes Verfahren kann die Unterscheidung zwischen Hindernissen, Freiraum und vertikalen Objekten unmittelbar getroffen werden. Mithilfe rekursiver Schätzverfahren werden die Zustände aller Objekte in der Umgebung bestimmt. Auf Basis der Geschwindigkeitsschätzung und Zustandsunsicherheit werden anschließend statische Objekte erkannt und als Landmarken im SLAM-Verfahren und der Monte Carlo Lokalisierung berücksichtigt.

In mehreren Testfahrten über eine Gesamtstrecke von 56 km wurde das Gesamtsystem intensiv in verschiedenen Gebieten zu unterschiedlichen Jahreszeiten für den Anwendungsfall des autonomen und aufgesplitteten Konvois erprobt. Die Auswertungen belegen, dass topologisch-metrische Karten für die Navigation mit einem sensorbasierten Wahrnehmungssystem kombiniert werden können, um die Herausforderungen der autonomen Navigation in unstrukturierter Umgebung sowie bei schwierigen Witterungsbedingungen zu lösen. Es hat sich gezeigt, dass die Auswahl der abstrakten Landmarkenrepräsentation zur Lokalisierung eine robuste Kartenrepräsentation darstellt. Das Verfahren ist darüber hinaus universell einsetzbar und erlaubt die Erweiterung um beispielsweise visuelle Objektlandmarken.

 

Promotionsausschuss:

Vorsitz:  Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Schmitt 

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Wünsche

2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Uwe Stilla (Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie, Technische Universität München)

Tag der Promotionsprüfung:

04.05.2022