Der digitale Zwilling: Freund oder Feind?

4 Mai 2023

Beim Wirtschaftsinformatik Transferforum (WITF) an der Hochschule Bielefeld (HSBI) sprachen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FI CODE im Rahmen eines Forschungsworkshops über die Chancen und Risiken einer vernetzten Welt und stellten dem Fachpublikum neue Lösungsansätze für mögliche Gefahren der Digitalisierung vor.

In einer zunehmend vernetzten Gesellschaft verschwimmen auch die Grenzen zwischen realer und digitaler Welt immer mehr. Das Leben vieler Menschen spielt sich heute bereits zu einem großen Teil online ab und auch alltägliche Eindrücke werden gerne in sozialen Medien gepostet und mit anderen geteilt. Was vielen nicht bewusst ist: Werden diese einzelnen Puzzleteile geschickt zusammengefügt, entsteht ein „digitaler Zwilling“. Mit den Möglichkeiten, aber auch den Gefahren, die in diesem Zusammenhang bestehen, beschäftigte sich der Forschungsworkshop „Der digitale Zwilling an der Schwelle zum bösen Zwilling – Chancen und Risiken einer zunehmenden Vernetzung“, der Ende April im Rahmen des WITF 2023 stattfand und an dem Forschende vom FI CODE sowie Vertreter der Hochschule Bielefeld und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg teilnahmen.

In insgesamt drei Fachvorträgen beleuchteten die Forschenden das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Den Auftakt machten Prof. Dr. Michaela Geierhos (FI CODE) und Dr. Frederik Simon Bäumer (HSBI) mit der Vorstellung eines Frühwarnsystems für die Gefährdung von Schutzobjekten in sozialen Netzwerken. Frei im Web verfügbare nutzergenerierte Daten können zunehmend automatisiert mit vorhandenen Ressourcen verknüpft werden. Selbst harmlos erscheinende Einzelinformationen, die in Kommentaren und Posts preisgegeben werden, können durch die Anreicherung mit externen Datenquellen die Privatsphäre des Verfassers verletzen.

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Dr. Frederik Simon Bäumer (HSBI, links im Bild) und Prof. Dr. Michaela Geierhos (FI CODE).

Besserer Schutz vor virtuellen Bedrohungen

Abhilfe könnte in Zukunft ein Frühwarnsystem schaffen, das im MuQuaNet-Teilprojekt ADRIAN entwickelt wird und bei dem die digitale und die reale Welt mit Hilfe eines sogenannten „digitalen Zwillings“, also eines virtuellen Abbildes der betroffenen Person, zusammengeführt werden. Wie verletzlich eine Person ist, kann dann anhand ihrer digitalen Repräsentation ermittelt werden. Zu diesem Zweck müssen zunächst vorhandene Daten plattformübergreifend gesammelt, zusammengeführt und standardisiert werden. Bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen in diesem Zusammenhang kann auch von den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz profitiert werden. Insbesondere bei der Informationsextraktion aus Bildern wird auf das KI-Auge gesetzt: „Die KI nimmt Merkmale wahr, die uns als Menschen nicht auffallen würden“, so Dr. Bäumer. Die hohe Datenqualität, die dadurch sichergestellt wird, macht das Frühwarnsystem noch zuverlässiger bei der Erkennung von Gefahren für Menschen.

Digitaler Zwilling als Allheilmittel?

Prof. Dr. Jens Weber von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) stellte die Sicht der Industrie auf den Digitalen Zwilling vor. Bei der Entwicklung von Produkten und den dazugehörigen Produktionsanlagen könnten Hersteller von digitalen Zwillingen profitieren. So sei es beispielsweise möglich, bereits vor Fertigstellung der physischen Produktionsanlage erste Simulationen laufen zu lassen und mit der weiteren Optimierung des Fertigungsprozesses zu beginnen. Damit ist der digitale Zwilling eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zur vollautonomen Produkt- und Anlagenplanung. Auch beim Thema Sicherheit bietet der digitale Zwilling Potenzial. „Informationssicherheit und die Abwehr von Cyber-Angriffen auf produktive Systeme spielen eine große Rolle“, betont Weber. Hier könne der digitale Zwilling dabei helfen, die Produktionsanlagen künftig robuster gegen solche Bedrohungen zu machen.

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Prof. Dr. Jens Weber (DHBW, links im Bild) und Prof. Dr. Achim Schmidtmann (HSBI).

Die Kunst der Täuschung

Im dritten Beitrag des Workshops sprach Prof. Dr. Achim Schmidtmann (HSBI) über die Bedrohung der Informationssicherheit durch Social Engineering und Künstliche Intelligenz. Themen wie Identitätsdiebstahl, Phishing-Mails oder Finance Phishing seien aktueller denn je und stellten ein großes Schadenspotenzial für Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen dar. Zu beobachten sei, dass die Angriffe immer besser vorbereitet und damit für die Nutzerinnen und Nutzer auf den ersten Blick schwerer als solche zu erkennen seien. Das Vorgehen der Angreifer stellte der Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationssysteme/ERP-Systeme, unter anderem anhand eines Social Engineering Attack Frameworks anschaulich dar.

Nach dem rund dreistündigen Workshop nutzten die über 70 Teilnehmenden die Gelegenheit, sich bei Kaffee und Brötchen weiter über die Themen des Vormittags auszutauschen.

Projekt ADRIAN: Positives Feedback vom Fachpublikum

Einblicke in das Projekt ADRIAN konnten die zahlreichen Besucherinnen und Besucher des Wirtschaftsinformatik Transferforums dann am Nachmittag am Stand des FI CODE gewinnen, wo der aktuelle Projektstand und auch ein Prototyp präsentiert wurden. Die Projektbeteiligten aus Bielefeld und München konnten sich dabei über eine sehr gute Resonanz des Publikums freuen. Insgesamt war die Veranstaltung für alle Beteiligten ein großer Erfolg.

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Auf der Fachausstellung des WITF präsentierte das ADRIAN-Projektteam den Prototypen eines Frühwarnsystems.


Das Wirtschaftsinformatik Transferforum an der Hochschule Bielefeld ist seit gut zehn Jahren für viele ein fester Termin im Kalender. Für Forschende, Unternehmensvertreter, Studierende und Interessierte bietet es jedes Jahr die Möglichkeit, sich über aktuelle Themen und zukünftige Trends auszutauschen. 

Mehr Informationen zum WITF: https://www.hsbi.de/wirtschaft/witf


 Fotos: FI CODE

 

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