Von Kriegen, Schlachten, Frieden und Freundschaften Offizierweiterbildung zur deutsch-französischen Militärgeschichte am Oberrhein - ein Reisebericht

14 August 2023

Reisebericht Tag 1: Anreise nach Rastatt und Festung Rastatt
Am frühen Morgen des 3. Juli 2023 begann unsere Reise von München aus, die uns Offiziere der Universität der Bundeswehr für eine militärhistorische Weiterbildung in die badische Barockstadt Rastatt führte, die für die gesamte Zeit auch als unser archimedischer Punkt der Erkundungen diente. Unser Ziel war es, uns über die deutsch-französische Militärgeschichte zu informieren und dabei insbesondere die Kriege von 1870/1871, den Ersten sowie den Zweiten Weltkrieg intensiver zu beleuchten.
Nach einer mehrstündigen Fahrt und brisanten Duellen Offiziere versus Navigationssystem, erreichten wir Rastatt, eine Stadt mit einer reichen militärhistorischen Vergangenheit. Unser erster Programmpunkt führte uns zur Festung Rastatt, wo uns Militärhistoriker Dr. Jordan empfing und uns in die Geschichte und Architektur des Residenzschlosses einführte. Wir erfuhren, dass die Festung Rastatt im 19. Jahrhundert als Teil der deutschen Verteidigungsanlagen gegen Frankreich diente und eine wichtige Rolle während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs spielte sowie die militärische Stärke des deutschen Staates symbolisierte.

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Im Wehrgeschichtliche Museum des Residenzschlosses Rastatt wurden uns vertiefende Einblicke in die Themen Uniformkunde und Festungswesen gewährt. Michael, der sich selbst als einen Experten auf dem Gebiet der "Knopfologie" bezeichnete, war gekleidet in eine französische Uniform aus der Zeit der Koalitionskriege, ermöglichte uns einen authentischen Einblick in die Waffenkunde sowie die historischen Funktionsweisen und Bedeutungen deutscher und französischer Uniformen.

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Am Nachmittag besichtigten wir die französische Gemeinde Fort Louis, deren Festung mit den beiden vorgelagerten Forts Alsace und Marquisat ab 1686 zur Befestigung des Rheins dienen sollte. Hier erhielten wir detaillierte Erläuterungen zum Bau und zur Bedeutung der Festung während vergangener Konflikte und dessen strategische Nutzung im Verlauf der Zeit.


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Am Abend trafen wir uns zu einem gemeinsamen Essen mit griechischen Ambiente. In angenehmer Atmosphäre reflektierten wir die ersten Erlebnisse, probierten uns an diversen Weinen aus der Region, verloren hierbei den bayerischen Bezug jedoch nicht und wiesen erstaunliche Rezitierfähigkeiten von gemeinsamen Fernsehhöhepunkten aus der Kindheit auf. Die darauffolgenden Diskussionen um das Älterwerden, die sich fast einstimmig über die mobilen Videoaufnahmen im Querformat und das Kaffeekochen als Leidenschaft auszeichneten, zeigten bei der nunmehr vierten militärhistorischen Weiterbildung erneut auf, dass diese den eigenen Horizont auch auf zwischenmenschlicher Ebene immens erweitern.


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Reisebericht Tag 2: Exkursion ins Elsass und die wechselvolle Geschichte Elsass-Lothringens
Am zweiten Tag unserer Reise stand die wechselvolle Geschichte Elsass-Lothringens an. Unser Ziel war es, einen intensiveren Einblick in diese geschichtsträchtige Region zu erhalten und die Ereignisse von 1870/1871 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges besser einordnen zu können.
Unser erster Stopp führte uns in die elsässische Gemeinde Lauterbourg, die zwischen der Maginot-Linie und der Siegfriedlinie gelegen ist. Auch hier gelang es unserem Militärhistoriker durch verschiedene Wechsel der Makro-Mikro-Ebenen, uns große Zusammenhänge durch anschauliche Einzelschicksale zu verdeutlichen. Besonders interessant war die Anekdote des Erkundungsritts des Grafen Zeppelins zu Beginn des Deutsch-französischen Krieges am 24. Juli 1870 durch das angrenzende Elsass, der den französischen Chasseurs nur knapp mit einem gestohlenen Pferd entkam.

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Nach weiteren historischen Hintergrundinformationen begaben wir uns zur Geländebesprechung ins Unterelsass und widmeten uns der Schlacht bei Wörth, die am 6. August 1870 stattfand. Wir erhielten detaillierte militärstrategische Einblicke in die Schlacht, insbesondere in das unwegsame Terrain bei der Höhe Fröschweiler. Es war beeindruckend zu erfahren, wie rund 45.000 französische Soldaten gegenüber 85.000 deutschen Soldaten kämpften und welche Rolle unter anderem Kürassiere und Ulanen einnahmen. Diese Schlacht war eine der ersten des Deutsch-Französischen Krieges und markierte einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Region. Ein Besuch auf dem lokalen Friedhof, auf dem auch Gefallene beider Seiten bestattet liegen, führte noch einmal die letzte Konsequenz kriegerischer Handlungen vor Auge.

 

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Nach einem typischen französischen Mittagessen, das sich über drei Gänge und drei Stunden erstreckte, besuchten wir am Nachmittag das Musée Mémorial Walbourg sowie die Kasematte in Esch. Das Museum war an Detailverliebtheit und Leidenschaftlichkeit kaum zu übertreffen. Begünstigt durch mehrere Klangpole, diverse Geruchssprinkler und des erzählerischen Enthusiasmus des Historikers, konnten wir auch auf sinnlicher Ebene mehr über die bewegte Zeit des Elsass wahrnehmen.

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Daran anschließend erfuhren wir in Esch mehr über das letzte Aufbäumen der deutschen Streitkräfte bei der Panzerschlacht von Hatten im Rahmen der "Operation Nordwind" im Jahr 1944 bzw. 1945 und schlossen diesen Tag mit intensiven Diskussionen über die Geschichte und die Ereignisse, die sich in dieser Region abgespielt hatten, ab.


Reisebericht Tag 3: Exkursion in den Nordschwarzwald und militärische Nutzung der Hornisgrinde
Am dritten Tag unserer Exkursion begaben wir uns in den Nordschwarzwald. Die Fahrt führte uns entlang der beeindruckenden Schwarzwaldhochstraße zur Hornisgrinde, dem höchsten Berg des Nordschwarzwaldes. Diese diente sowohl als Flugabwehrstellung der deutschen Streitkräfte zwischen 1935 und 1945 im Rahmen der "Luftverteidigungszone West" als auch dem französischen Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg als Abhörstation.


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Begleitet wurden wir bei unseren Besichtigungen von Friedrich Wein, einem Experten für Wehrgeschichte. Unter seiner fachkundigen Führung erhielten wir detaillierte Informationen über die letzten Teile der "Luftverteidigungszone West" des Westwalls und die spätere Nutzung durch die NATO. Wir konnten die Bunker und Verteidigungsanlagen aus nächster Nähe betrachten und uns ein Bild von den damaligen militärischen Gegebenheiten machen. Dass sich an diesem Tag im Juli Schneeregen und sommerliche Temperaturen abwechselten, verdeutlichte uns, welche Rolle Höhenlagen und klimatische Bedingungen in militärstrategischem Umfeld einnehmen.
Zum Mittagessen kehrten wir in der Grinde Hütte ein und genossen, bei einem fantastischen Ausblick auf die umliegende Landschaft, die schwarzwälder Küche.

 

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Am Nachmittag machten wir Halt am "Führerhauptquartier Tannenberg", einer von fünf für den Krieg gegen Frankreich geplanten Befehlsstellen. Hier diskutierten wir intensiv über den Umgang mit militärhistorischen Bauten, insbesondere im Hinblick auf Bunkerbeseitigungen, die hier zum Teil von der Bundeswehr durchgeführt wurden.
Im Anschluss daran besichtigten wir den Tarnbunker in Kehl-Neumühl. Es war erstaunlich zu sehen, wie die Bunker in das normale Stadtbild integriert und getarnt wurden. Dies verdeutlichte, mit welchem Aufwand und Einfallsreichtum militärische Anlagen verborgen werden konnten.
Als Abschluss des Tages unternahmen wir einen Spaziergang am Straßburger Rheinufer, bei welchem wir auch das aktuelle Aufgebähren von Teilen französischer Bürger in Form von verbrannten Autos sehen konnten.


Hierbei besichtigten wir die Rheinbrücken und erhielten interessante Details über die Rolle der Pioniere und ihre Aufgaben im Zweiten Weltkrieg. Es war beeindruckend zu erfahren, wie entscheidend ihre Arbeit für den militärischen Fortschritt und die Überwindung von Hindernissen war und verblüffend, dass rund 240 Meter Stahl in Form einer Brücke ausreichen, zwei Nationen voneinander trennen.

 

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Reisebericht Tag 4: Exkursion zur Maginot-Linie und Picknick im Nordelsass

 

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Am vierten Tag unserer Reise unternahmen wir eine weitere Exkursion ins Elsass mit dem Schwerpunkt auf dem Bau, der strategischen Implementierung sowie Rolle der Maginot-Linie. Als exemplarisches Beispiel diente uns das "Fernkampfwerk Schoenenbourg" (Fort de Schoenenbourg), eines der größten Bunkerwerke entlang der Maginot-Linie. Wir verbrachten fast einen halben Tag in diesem unterirdischen Komplex und bekamen dadurch einen tieferen Einblick in und ein grobes Gefühl für das Leben der französischen Soldaten, die hier für rund 300 Tage stationiert wurden. Es war faszinierend zu sehen, wie umfangreich und ausgeklügelt die Verteidigungsanlagen entlang der Maginot-Linie waren.

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Am Nachmittag hatten wir ein wunderbares Picknick in den Wäldern des Nordelsass. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Association des Amis de la Ligne Maginot d´Alsace genossen wir französische Kulinarik.

 

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Unser Picknick bot die Gelegenheit, uns in entspannter Atmosphäre mit unserem Gastgeber und Dr. Jordan auszutauschen. Wir vertieften unsere Gespräche über die deutsch-französische Freundschaft und diskutierten die Bedeutung der gemeinsamen Geschichte für die heutige Zeit. Es war ein besonderer Moment, den wir in wunderschönem Ambiente und bei bestem Wetter genießen konnten.

 

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Reisebericht Tag 5: Besichtigung der Höckerlinie und Rückfahrt nach München

 

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Am fünften und letzten Tag unserer Reise fuhren wir nach Steinfeld in der Pfalz, um die "Höckerlinie" zu besichtigen. Die eisenbetonierte Höckerlinie, deren Elemente auch Drachenzähne genannt werden, war ein Teil des Westwalls. Dieser wurde bis 1940 gegen einen potentiellen Angriff aus Westen errichtet und diente zusammen mit nassen Panzergräben dann wieder 1944/45 als letzte Verteidigungslinie.


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Die Besichtigung der Höckerlinie war beeindruckend und beunruhigend zugleich. Wir konnten uns gut vorstellen, wie diese Verteidigungsanlage im Zweiten Weltkrieg genutzt wurde und welchen Zweck sie erfüllte. Besonders interessant war, dass die Drachenzähne heutzutage teilweise durch die Gärten der Anwohner verlaufen. Es war eindrücklich zu sehen, wie die Geschichte des Krieges bis heute in der Umgebung präsent ist und das Leben der Menschen beeinflusst.
Nach der Besichtigung der Höckerlinie machten wir uns auf den Rückweg nach München. Während der Fahrt nutzten wir die Zeit, um die Erlebnisse und Eindrücke der gesamten Woche zu reflektieren und zu evaluieren. Die Exkursion war eine bereichernde Erfahrung, die uns nicht nur militärhistorisches Wissen vermittelte und die wechselvolle Geschichte des Elsass vor Augen führte, sondern auch das Verständnis für die deutsch-französische Beziehung vertiefte. Die Begegnungen mit Experten und der Austausch mit Kameradinnen und Kameraden waren inspirierend und hinterließen Impressionen, die uns in Erinnerung bleiben werden.

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