Trotz der umfassenden Verbreitung von elektronischen Navigationssystemen behält die wegweisende Beschilderung ihre Bedeutung. Zum einen, weil die Genauigkeit der Positionsbestimmung in komplexen Kreuzungssituationen manchmal nicht ausreicht, zum anderen, um die reale Welt (Beschilderung) mit der virtuellen Welt (Navigationssystem) abzugleichen. Aktuell gilt gemäß RWB (Richtlinien für wegweisende Beschilderung) für Landstraßen und innerorts (gelbe Schilder) die sog. 4/10 Regel, d.h. auf einem Schild dürfen insgesamt maximal 10 Ziele und maximal 4 in eine Richtung stehen. Diese Regel wurde unter theoretischen und pragmatischen Gesichtspunkten aufgestellt. 

Beispiel für die 4/10 Regel

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Mit zunehmender Dichte des Verkehrs und des Straßennetzes stellt sich die Frage:

  • Wie viel Zeit haben Autofahrer zum Lesen von Wegweisern?
  • Wie viel Information soll auf einem Wegweiser stehen, damit sie sicher gelesen und verarbeitet werden kann, ohne negative Auswirkungen auf den Verkehr?
  • Kann durch die Verwendung von Piktogrammen die Anzahl von Zielen, die auf einem Schild stehen dürfen, erhöht werden?

Ein Feldversuch mit Blickregistrierung beim Lesen von Schildern auf Autobahnen, Landstraßen und innerorts erbringt folgende Ergebnisse:

Die durchschnittlich verfügbare Lesezeit für Wegweiser auf Autobahnen beträgt:

  • für Überkopf-Wegweiser: 5,4 Sek,
  • für seitlich aufgestellte Wegweiser 4,2 Sek.

Die durchschnittlich verfügbare Lesezeit auf Landstraßen und innerorts beträgt 3,0 Sek.

Wechselwegweisene Beschilderung:

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Eine weitere Fragestellung betrifft die Gestaltung von sog. Wechselwegweisern. Sie kommen zum einen bei der dynamischen Verkehrsleitung bei Staus, aber auch zur gezielten Verkehrslenkung  bei Messen oder anderen Großereignissen zum Einsatz. Untersucht wurden Pfeil-orientierte und frei programmierbare Schilder mit und ohne Umleitungsempfehlung.

Die Versuche fanden im Labor statt. Die Bilder zeigen  Beispiele für die beiden Schildervarianten sowie den Versuchsaufbau.

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Versuchsaufbau mit Blickregistrierung, Folgetrackingaufgabe und einer pfeil-orientierten Schildervariante.


Ergebnisse

  • Bei den pfeil-orientierten Schildern werden signifikant mehr richtige Entscheidungen zur Routenwahl getroffen. „Richtige Entscheidung“ bedeutet, der Fahrer benutzt die Alternativroute, wenn er vom Stau betroffen ist. Anderenfalls bleibt er auf der Normalroute.
  • Pfeil-orientierte Schilder unterstützen Personen mit geringerer Ortskenntnis mehr. Sie können daraus eher die Richtung der Umleitungsempfehlung erkennen als bei Schildern ohne Pfeile. Sie helfen somit, ein gewisses Maß an Unsicherheit bei der Routenwahl zu kompensieren.
  • Bei Schildern ohne Umleitungsempfehlung und einfachen Umleitungshinweisen (z.B. „via A3“) schneiden pfeil-orientierte Schilder signifikant besser ab.
  • Neben Umleitungsempfehlungen per Delestage-Pfeil sind auch „via + Ortsangabe“ durchaus empfehlenswert.

 

Literatur:

Färber, Brigitte; Färber, Berthold: Flexible Wegweisung bei Stau – welche Art der Beschilderung ist besser? Ein wahrnehmungspsychologischer Vergleich. In: Zeitschrift für Verkehrssicherheit. 1, 2006. - S. 25-28.

Färber, Brigitte; Färber, Berthold: Nutzerbedürfnisse und wahrnehmungspsychologische Gestaltung. In: Siegener, Wilfried; Träger, Klaus; Färber, Brigitte; Färber, Berthold: Dynamische Verkehrsinformationstafeln. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 916, 2005. - S. 83-130. Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr. Bonn: Wirtschaftsverlag NW.

Färber, Berthold; Färber, Brigitte: Akzeptanz von Wechselverkehrszeichen im Einsatz von SBA.
In: Steinhoff, Christiane; Kates, Roland; Keller, Hartmut; Färber, Berthold; Färber, Brigitte: Problematik präventiver Schaltungen von Streckenbeeinflussungsanlagen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 853, 2002, - S. 91-110. Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr. Bonn: DMB Bundesdruckerei.