Sichere Seefahrt durch eine effektivere Seeminenortung

25 September 2020

Am Institut für Angewandte Informatik forschen Prof. Andreas Karcher und sein Team in Kooperation mit der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) an einem System, das dabei hilft, Seeminen unter Wasser effektiver als bislang möglich aufzuspüren.

Seeminen sind eine Gefahr für die Schifffahrt. Sie haben gravierende Auswirkungen auf die Durchführbarkeit von Einsätzen und auf operationelle Verfahren. Je automatisierter, und daher mit weniger Personalaufwand, Seeminen unschädlich gemacht werden können, desto besser. Einer automatischen Zielerkennung dieser Gefahr kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Diese Rolle muss im operationellen Systemkontext (also im Zusammenspiel des Systems mit seiner Umgebung) untersucht werden.

Mit demselben systemischen Ansatz, den das Forschungsteam der Universität der Bundeswehr München entwirft, lassen sich auch weitere Gefahrengüter auf dem Meeresboden entdecken. Die Menge der in deutschen Meeresgewässern lagernden konventionellen Kampfmittel aus zwei Weltkriegen wird auf bis zu 1.600.000 t geschätzt, wie das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein auf seiner Website in einem Ergebnisbericht schreibt. Diese Kampfmittel gefährden die wirtschaftliche Nutzung der Meere, die Küstenbewohner und nicht zuletzt die Umwelt. Somit ist die aktuelle Studie ein gutes Beispiel für militärische Forschung, die auch im zivilen Bereich eingesetzt werden kann und Nutzen für alle bringt.

Studie passt den Architektur-Rahmen an

An der Professur für integrierte Anwendungen im Bereich Informatik bei Prof. Karcher wird in der Studie „ARTaLoS“ (Architecture-based Reference Models for Target Recognition and Localisation Services) die Arbeitsweise der Marinesoldaten mit zukünftigen Minenjagdsystemen analysiert. Sie werden die komplexen IT-Systeme, die hinter der Steuerung der unbemannten Fahrzeuge stecken, bedienen müssen. Die Studie beschreibt zum einen das Vorgehen der Marinesoldaten bei der Ermittlung von Seeminen mittels Bilderkennungsverfahren modellhaft und verbindet es zum anderen mit den detaillierten Abläufen innerhalb der komplexen IT-Systeme. Die grundsätzliche Motivation für diese beiden Arbeitsbereiche innerhalb der Studie (die von der WTD 71 finanziert wird) liegt darin, zu untersuchen, wie aus dem Zusammenbringen der operationellen Praxis und der wehrtechnischen Forschung ein Anforderungskatalog erstellt werden kann, der genau aufschlüsselt, welche Eigenschaften die unbemannten Fahrzeuge haben müssen, die in Zukunft für das Aufspüren von Seeminen angeschafft werden sollen.

Architektur-Rahmenwerke (sogenannte Enterprise Architecture Frameworks (EAF)), ermöglichen es, komplizierte Sachverhalte systematisch darzustellen. Damit sind sie das geeignete Werkzeug zur Bearbeitung der beiden ersten Arbeitsschritte der Studie: Über die systematische Herangehensweise, die diesen Rahmenwerken zugrunde liegt, wird eine vereinfachte Beschreibung des unbemannten Systems erreicht. Gleichzeitig wird aber auch die Speicherung der detaillierten Abläufe innerhalb der komplexen IT-Systeme in einer maschinenlesbaren Form innerhalb der EAFs durchgeführt.

Studie zeigt Referenzmodelle auf, die auch in anderen Bereichen anwendbar sind

Im dritten Arbeitsschritt der Studie werden, ausgehend von dem Fokus auf der Klassifizierung von Seeminen, Referenzmodelle erstellt. Durch die Berücksichtigung der Vorgaben der „Methode Architektur“, die die Bundeswehr für die einheitliche Modellierung eingeführt hat, gelingt es, anhand von Anwendungsbeispielen (wie z. B. der Klassifizierung von Minen-Objekten aus SONAR-Bildern, also mithilfe des Verfahrens zur Ortung von Gegenständen im Raum und unter Wasser mittels ausgesandter Schallimpulse) eines unbemannten Systems, Anforderungen an die Dienste für eine derartige automatische Zielerkennung systematisch zu analysieren und in Form von Referenz-Bausteinen zu beschreiben. Diese Referenz-Bausteine, die man sich ähnlich wie Lego-Bausteine vorstellen kann, haben definierte Schnittstellen, die sowohl für die Minenortung als auch für andere Anwendungsgebiete (z. B. die Zielerkennung von RADAR-Bildern) genutzt werden können. Das heißt, dass diese Bausteine aufgrund ihrer definierten festen Eigenschaften auch bei anderen Anwendungen genutzt werden können. Dieses Vorgehen bildet die Grundlage für Wiederverwendbarkeit von Wissen, Standardisierung von Diensten sowie die Einbettung in übergeordnete operationelle Zusammenhänge wie NATO-Missionen. So kann eine nachhaltige, systematische Anpassung von Entwicklungsprozessen an die sich ändernden Anforderungen der Bundeswehr ermöglicht werden.

Sicherheit durch Übersicht

Die Sicherung der Seewege, zu der unbemannte Systeme in Zukunft einen wesentlichen Anteil beitragen könnten, hängt also auch mit der durchgängig korrekten Beschreibung der Verknüpfung von operationellen Forderungslagen mit detaillierten Abläufen innerhalb komplexer IT-Systeme zusammen. Die systematische Herangehensweise (basierend auf Architektur-Rahmenwerken) ist ein geeignetes Mittel, um kein Risiko einzugehen, bei diesen Zusammenhängen ein wichtiges Detail zu übersehen.

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