Kaminabend mit Best-Practice-Vorträgen: 3DSE@casc
Systems Engineering ist weit mehr als eine Methodik: Es ist ein Transformationsprozess, der interdisziplinäre Zusammenarbeit, Transparenz und Systemdenken fördert. In der Industrie bildet es die Grundlage für effektive Produktentwicklung, beschleunigte Entscheidungsprozesse und die Beherrschung technischer Komplexität – und wird so zum entscheidenden Erfolgsfaktor für zukünftige Entwicklungen und Projekte.
Immer mehr Unternehmen, ob KMUs oder Konzerne, setzen daher auf den systemischen Ansatz des Systems Engineering, benötigen aber an der einen oder anderen Stelle noch Unterstützung durch externe Beratungsleistungen.
Welche typischen Problemfelder und Herausforderungen gibt es in den Unternehmen, um Methoden und Prozesse des Systems Engineering umzusetzen? Welche Stellhebel und Beratungsansätze können hier Abhilfe schaffen? Wie können Transformationsprozesse unterstützt und die F&E-Performance nachhaltig gesteigert werden? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten müssen System-Ingenieurinnen und -Ingenieure als Consultants haben, um komplexe Projekte zum Erfolg zu führen? Wie sieht der typische Beratungsalltag aus und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Beratungsunternehmen und Kunden?
Da wir vom Weiterbildungsinstitut casc der Universität der Bundeswehr München gerade den Theorie-Praxis-Transfer und die Einblicke in verschiedene Berufsfelder sehr schätzen, luden wir die 3DSE Management Consultants GmbH zum gemeinsamen Kaminabend im Anschluss an die Präsenzveranstaltungen im berufsbegleitenden Masterstudiengang Systems Engineering (M.Sc.) ein, um den Beratungsalltag näher kennen zu lernen. Der Teilnehmerkreis bestand aus Studierenden verschiedener Jahrgänge, Alumni, Dozierenden und SE-Interessierten.
Vortragende waren Dr. Armin Schulz, casc-Dozierender im Modul V3 (Systems Engineering im betrieblichen Umfeld) sowie Gründer und geschäftsführender Partner der Managementberatung 3DSE, sowie Stephan Finkel, Partner und Industry Lead Defense &Security bei 3DSE. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Bereich Systems Engineering entwickelt die 3DSE Management Consultants GmbH, eine der führenden unabhängigen Managementberatung für Innovation und F&E in Zentraleuropa, für Kunden maßgeschneiderte Lösungen im Bereich Systems Engineering und hilft bei der erfolgreichen Implementierung.
Folgende Best-Practice-Vorträge wurden im Rahmen des Kaminabends vorgestellt und diskutiert:
Fallbeispiel 1: Systems Engineering als Schlüssel zur Bewältigung komplexer Entwicklungsprogramme im maritimen Umfeld
Die Einführung von Systems Engineering (SE) in einem maritimen Original Equipment Manufacturer (OEM) markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise, wie komplexe Systeme entwickelt, integriert und geliefert werden. Ziel ist es, steigende funktionale Komplexität, regulatorische Anforderungen und enge Zeitrahmen durch strukturierte, interdisziplinäre und datenbasierte Ansätze zu meistern.
Ausgangspunkt sind oft strategische Herausforderungen, wie sie in vielen industriellen Großprogrammen auftreten: Qualitätsprobleme in der Lieferkette, verspätete und teure Änderungen im Entwicklungsprozess, unklare Verantwortlichkeiten, unzureichende Integration von Zulieferern sowie intransparente Vertragswerke mit Tausenden von Seiten. Solche Rahmenbedingungen führen zu ineffizienten Entwicklungszyklen, schwierigen Kundenverhandlungen und einer mangelnden Konsistenz zwischen Anforderungen, Entwurf und Nachweisführung.
Systems Engineering bietet hier einen strukturierten Lösungsansatz. Es verbindet technische, organisatorische und prozessuale Elemente zu einem integrierten Entwicklungsmodell.
Beratungsbeispiel: Bei einem maritimen OEM wurde ein neues betriebliches Modell gemeinsam mit allen beteiligten Disziplinen definiert; unterstützt durch ein starkes Management-Mandat und klare Zielvorgaben. Zentrale Elemente waren die Einführung von funktionsorientierten Produktstrukturen, die Etablierung von modellbasierten Arbeitsweisen (MBSE) und der Aufbau eines digitalen Engineering-Ökosystems mit modernen Tools wie IBM DOORS Next Generation. Diese Plattformen schaffen Transparenz über Anforderungen, Funktionen und Verifikationsschritte und dienen als „Single Source of Truth“ für alle Beteiligten.
Parallel zur technischen Implementierung wurde ein umfassendes Schulungs- und Coaching-Programm etabliert, um Mitarbeitende und Lieferanten in der Anwendung von SE-Methoden zu qualifizieren. Ein dediziertes Systems Engineering Office (SEO) begleitete die Programme operativ und unterstützte die Teams im Tagesgeschäft – ein entscheidender Faktor, um den Methodenwandel in die Praxis zu übertragen. Auf diese Weise wurde Systems Engineering schrittweise eingeführt und in den alltäglichen Entwicklungsprozessen verankert, anstatt als einmalige Initiative zu verpuffen.
Das Vorgehen basiert auf einem „staged approach“, der die Fähigkeiten der Organisation berücksichtigt und sukzessive weiterentwickelt. Klare Prozessdefinitionen, einheitliche Schnittstellenhandhabung und automatisierte Kennzahlen (KPIs) zur Nachverfolgung des Reifegrads sind integrale Bestandteile dieses Transformationspfades. Entscheidend ist dabei ein gemeinsames Zielbild, das allen Beteiligten Orientierung und Sinn vermittelt – Systems Engineering als Instrument, um die wachsende Komplexität beherrschbar zu machen und gleichzeitig Effizienz, Qualität und Compliance zu sichern.
Die Resultate solcher Implementierungen zeigen den nachhaltigen Nutzen des Ansatzes: Eine 3–5-fache Zunahme der funktionalen und systemischen Komplexität konnte mit stabiler Engineering-Aufwandskurve gemeistert werden. Durch strukturierte Abstimmung und datenbasierte Entscheidungsfindung wurde der Engineering-Aufwand in Projekten um bis zu 20% reduziert. Zudem konnte vollständige regulatorische Konformität erreicht werden – ein Schlüsselfaktor für maritime Entwicklungsprogramme.
Fallbeispiel 2: Optimierung der SysEng basierten Produktentwicklung eines 2-Rad-OEMs
Im Rahmen eines Beratungsprojekts unterstützte 3DSE einen international tätigen Hersteller von Zweirädern dabei, die Leistungsfähigkeit seiner Produktentwicklung grundlegend zu steigern. Das Unternehmen stand vor der Herausforderung, im Vergleich zum Wettbewerb weniger neue Modelle in längeren Entwicklungszyklen auf den Markt zu bringen. Eine Benchmark-Analyse zeigte eine unzureichende F&E-Produktivität, mit geringem Umsatzanteil durch neue Produkte und spürbaren Verzögerungen in der Markteinführung. Parallel dazu sank die Kundenzufriedenheit kontinuierlich.
Das Ziel des Projekts war, Effizienz, Geschwindigkeit und Qualität der Produktentwicklung nachhaltig zu verbessern und die F&E-Organisation auf ein neues Leistungsniveau zu heben. Dabei kamen zentrale Prinzipien des Systems Engineerings zum Einsatz, um die Komplexität der Fahrzeugentwicklung ganzheitlich zu managen und eine systemorientierte Denkweise fest in der Organisation zu verankern.
Ein zentraler Hebel war dabei die Einführung einer strukturierten und disziplinierten frühen Entwicklungsphase, um die konzeptionelle Reife zu erhöhen und parallele Fahrzeugprogramme effizient zu steuern. Ergänzend wurden Systemstrategien für Schlüsselkomponenten entwickelt, um Wiederverwendung, Standardisierung und technologieübergreifende Entwicklung zu fördern – ein klassisches Element des Systems Engineering, das Synergien zwischen Projekten schafft. Zur Steigerung der Entwicklungsleistung wurde der Anteil virtueller Tests deutlich ausgebaut, was frühzeitige Validierungen und kürzere Entwicklungszyklen ermöglichte. Darüber hinaus sorgten automatisierte Health-Tracking-Systeme für mehr Transparenz in Produkt- und Projekt- Kennzahlen, sodass datenbasierte Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden konnten. Parallel dazu wurde die Engineering-Organisation neu strukturiert, um klare End-to-End- Verantwortlichkeiten für Fahrzeug- und Systementwicklung zu etablieren.
Das Projekt zeigt, wie die konsequente Anwendung von Systems Engineering-Prinzipien, insbesondere systemorientiertes Denken, interdisziplinäre Integration und digitale Rück- kopplungsschleifen, ein wesentlicher Erfolgsfaktor für moderne Produktentwicklungs- organisationen ist.
Das anschließende Get-together mit Abendessen im Kaminzimmer des Unicasinos der UniBw M bot wieder vielfache Gelegenheiten für Vernetzung und Austausch.
Ein herzliches Dankeschön an die tollen Dozierenden, Armin und Stephan!
Über3DSE
Die 3DSE Management Consultants GmbH ist die führende unabhängige Managementberatung für Innovation und F&E in Zentraleuropa. Das Unternehmen mit Standorten in München, Wien und Chicago hat seit seiner Gründung 2001 über 800 Beratungsprojekte für über 60 internationale Kunden erfolgreich durchgeführt. Kernbranchen sind Automotive, Aerospace, Defence, Industrial, Transportation, Electronics, Health Tech, Railway und Energy.