Projektbeschreibung

Trägt eine bestimmte Art des Denkens und Sprechens, trägt eine bestimmte Form der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung Schuld am sogenannten ‚postfaktischen Zeitalter‘? Etwa seit Mitte der 2010er Jahre befindet sich eine Gesellschaftsdiagnose im Aufschwung, die die Gegenwart in einer allgemeinen Wahrheits- bzw. Geltungskrise wähnt und vor dramatischen Folgen für das demokratische Zusammenleben warnt. Die Ursachenforschung läuft auf Hochtouren, und dabei gerät unter anderem eine Verdächtige immer wieder in den Blick: anti-essenzialistische – bzw. postmoderne, konstruktivistische oder postfundamentalistische – Theorie, die den Glauben an eindeutige Wahrheiten ins Wanken bringt. In diesem DFG-Projekt geht es nun nicht darum, sich in jener nicht selten polarisierend geführten Debatte auf eine Seite zu schlagen, also entweder eine kategorische Apologie oder aber eine radikale Kritik derartiger Theorieansätze als Formen ‚falschen Bewusstseins‘ zu formulieren. Vielmehr nehmen wir die Debatte zum Anlass, um anti-essenzialistisches Denken einer anderen Art der Kritik zu unterziehen, einer Kritik nämlich im Wortsinne der (immanenten) Grenzbestimmung. Mit dem Begriff Anti-Essenzialismus bezeichnen wir dabei ein sozialwissenschaftliches Paradigma, in dessen Rahmen theoretische Lösungen konzipiert werden für das zentrale Bezugsproblem der gesellschaftlichen Tendenz zur falschen Festschreibung von Wirklichkeit als eindeutige Wahrheit. Im Projekt gehen wir der Frage nach, welche Erkenntniswege jenes Paradigma eröffnet, inwiefern also der öffentliche bzw. wissenschaftliche Abgesang darauf fehlgeht – an welchen Stellen es aber zugleich an seine Grenzen stößt. Das Projekt ist in drei Teilstudien organisiert, die sich auf unterschiedlichen Analyseebenen – ideengeschichtlich, theorievergleichend, empirisch diskursanalytisch – auf die Suche nach Antworten begeben. Laufzeit: 1.1.2021 – 31.12.2023 Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 443532822