Die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 grundlegend veränderte sicherheitspolitische Lage, die Teilnahme der Bundeswehr an der Operation Enduring Freedom sowie die Fortführung der Einsätze auf dem Balkan machen deutlich, dass der begonnene Reformprozess, also der Umbau der Bundeswehr und die konsequente Ausrichtung auf künftige Aufgaben eher beschleunigt werden müsste als dass er verzögert werden darf. Die Bundeswehr ist im Einsatz und wird künftig noch stärker eine Einsatzarmee werden, eingesetzt im Rahmen der NATO und der EU, bzw. unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Unter der Bedingung zunehmender internationaler Verantwortung Deutschlands gilt es, neben der Verteidigung des Vaterlandes Mitverantwortung für die Freiheit, den Frieden und das Wohlergehen anderer Völker und Staaten zu übernehmen. Das heißt: weltweiter Einsatz, wie wir dies bereits heute im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus erleben. Der Einsatz kann das gesamte Spektrum von der humanitären Hilfeleistung, über Friedensmissionen bis zum bewaffneten Kampf umfassen. Hierauf muss sich der Offizier einstellen, die politische Notwendigkeit eines Einsatzes für sich persönlich annehmen und mit aller Kraft dafür einstehen. Dies setzt voraus, dass er sowohl über politisches Urteilsvermögen, als auch über Charakterstärke und diplomatisches Fingerspitzengefühl verfügt, um zwischen Konfliktparteien vermitteln zu können. In der Zukunft werden Krisenvorbeugung und Konfliktbewältigung sowie Partnerschaft und Kooperation weiter an Bedeutung gewinnen.

Auf der Basis dieser Rahmenbedingungen muss der Offizier – ungeachtet seiner Zugehörigkeit zu einer Teilstreitkraft – vielfältige Merkmale, Fähigkeiten und Fertigkeiten in sich vereinigen und bereit sein, nicht vorhandene Qualifikationen durch eigene Ausbildungs- und Lernbereitschaft zu erwerben. Die Bandbreite seiner wahrzunehmenden Aufgabenstellungen reicht vom soldatischen Profil des Menschenführers, des Stabsarbeiters, des Spezialisten und des Kämpfers, über das Spektrum des Retters, Helfers, Beobachters, Beschützers und Bewahrers bis zum vermittelnden Einsatz als „Diplomat", oftmals in einem multinationalen Umfeld. Sprachausbildung und Sprachfertigkeiten gewinnen eine noch höhere Bedeutung.

Prägendes Merkmal des Offizierberufes ist und bleibt es, Menschen zu führen. Dies verlangt eine positive Einstellung zum Menschen und das Führen mit Herz und Verstand, um das Vertrauen unterstellter Soldaten zu gewinnen und sie motivieren zu können. Es beinhaltet auch die Vorbereitung auf extreme Belastungen im Einsatz, ohne die Pflicht und Fürsorge zu vernachlässigen. Soziale Kompetenz ist gefragt.

Hervorragendes Urteilsvermögen, diplomatisches Fingerspitzengefühl und Charakterstärke sind wesentliche Voraussetzungen, um in Konfliktsituationen zu vermitteln, zu schlichten oder Konfliktparteien auseinander zu halten. Der Offizier muss fähig sein, sich in die Menschen hineinzuversetzen und ihre Motive zu verstehen. Kulturelle Kompetenz wird eine wichtige Schlüsselqualifikation zukünftig werden. Dabei muss der Offizier selbst einen festen eigenen Standpunkt vertreten, der ethisch und moralisch in den Werten unserer Verfassung verankert ist und politisch die Menschen überzeugt.

Nur mit einer umfassenden Information über die zukünftige Gestaltung der Bundeswehr, die Einsatzkonzeptionen und die neuen Anforderungen an den Offiziernachwuchs wird es gelingen, auf die Persönlichkeitsentwicklung unserer studierenden Offiziere und Offizieranwärter, auf ihre Leistungsbereitschaft und ihre Einstellung zum Soldatenberuf einzuwirken. Erfahrungen aus allen bisherigen Einsätzen haben gezeigt, dass hohe Anforderungen fachlicher, geistiger, psychischer und physischer Natur an die jeweiligen Führer und Geführten gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist es für alle Vorgesetzten an unserer Universität nicht nur von großer Bedeutung, dass möglichst viele studierende Offiziere und Offizieranwärter ihr Studium so schnell wie möglich erfolgreich absolvieren, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass die militärische Bindung nicht verloren geht.

Die vom Studierendenbereich angebotenen Gastvorträge sowie die Informationsvorträge anlässlich der Personalberatungsgespräche sowie der TSK-Tage bieten gute Möglichkeiten, aktuelle Informationen über den Stand der Bundeswehrreform und die Veränderungen innerhalb der Streitkräfte zu erhalten.

Trotz aller modernen Kommunikationsmittel und der Möglichkeit, sich über das Internet und das Intranet-Bw zu informieren, ersetzt nichts den persönlichen Kontakt und die Diskussion.

Ich erwarte von allen Vorgesetzten, das Gespräch mit den unterstellten Soldaten zu suchen und diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit verstärkt über Entwicklungen in der Bundeswehr, aber auch im eigenen Bereich zu informieren.

Ich fordere jeden studierenden Offizier und Offizieranwärter auf, sich selbstständig zu informieren und sachliche Informationen von Gerüchten zu trennen. Ich erwarte von jedem studierenden Offizier und Offizieranwärter, dass er das Gespräch mit seinen Vorgesetzten sucht und deren Erfahrungen nutzt.