Motivation mit Zielsetzung

Durch die Vorteile von elektrischen Antriebssystemen in der Mobilität – wie beispielsweise die hohe Leistungsdichte und Effizienz – und deren vermehrten Einsatz in diversen Land- und Luftfahrzeugen steigen die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit vor allem in Hinblick auf die Identifikation der Störmechanismen, die Gewichtsreduktion beim Einsatz von Filtern und die erforderliche Immunität des Antriebssystems gegen systeminterne Störungen. Besonders im Bereich des elektrischen Fliegens gibt es besondere An- und Herausforderungen, die es bei der Entwicklung zu beachten gilt.

 Stand von Wissenschaft und Technik mit Neuheit des Lösungsansatzes

Elektrische, invertergetriebene Antriebsstränge weisen bekannte und charakteristische Störfrequenzbilder auf, deren Störpotential vor allem in dreiphasigen Antriebssträngen mit geringer Leistung genauer erforscht wurden (vgl. Abb. 1). Im Bereich der Luftfahrt können die Störspektren die operativen Flugfrequenzbänder überlagern und somit zu schwerwiegendem Fehlverhalten oder sogar zu Ausfällen in Teilsystemen führen. Bei fünfphasigen Antriebssystemen ergibt sich die Möglichkeit des robusten fehlertoleranten Betriebes, der es zulässt, auch bei Phasenausfällen weiterhin ein Drehmoment zu erzeugen und somit einem Versagen des Antriebssystems vorbeugt wird. Aus dem abweichenden Schaltmuster der Ansteuerung der elektrischen Maschine durch den Inverter und durch sich verschiebende Potentiale innerhalb des Antriebsstrangs während des Fehlerbetriebs, ergeben sich jedoch neue Herausforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit, die bewältigt werden müssen.

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Abbildung 1: Vermessung eines dreiphasigen Antriebsstranges in der Absorberkammer mit einer Antenne

Neben dem Verständnis der Entstehung leitungs- und feldgebundener Störungen im Antriebssystem ist die Analyse und Untersuchung der Störkoppelwege im Flugzeug ein essenzielles Instrument, um kosten- und gewichtsparende Gegenmaßnahmen zu entwerfen und den störungs- und interferenzfreien Betrieb des gesamten Flugzeugs zu gewährleisten. Die bisherige Entwicklung basiert vor allem auf der Einzelbetrachtung der Komponenten, ohne diese in den Gesamtsystemkontext zu setzen. Durch ein Gesamtverständnis der Koppelwege im Antriebsstrang und im gesamten Flugzeugbereich sind gewichtssparende Maßnahmen erreichbar, die weitere Filtermaßnahmen für bestimmte Frequenzbänder ggf. überflüssig machen. Aus diesem Grund werden die Wechselwirkungen der Einzelkomponenten des Antriebsstranges untereinander, der Leitungstopologien und des Referenzpotentiales detailliert untersucht und beschrieben. Besondere Herausforderungen in Hinblick auf die Auslegung von Filtertopologien stellen die spannungsabhängigen Effekte von widebandgap-Halbleitern dar, da diese zu Verschiebungen der Interferenzfrequenz führen. Da diese im operativen Frequenzband der Luftfahrt liegen können, wird die Implementierung von intelligenten Gegenmaßnahmen erforderlich, um gleichzeitig eine geringe Verlustleistung im System gewährleisten zu können. Bisherige konventionelle EMV-Filter weisen vor allem ein großes Bauvolumen, eine hohe Verlustleitung und ein hohes Gewicht auf oder sind nur für den Kleinleistungsbereich geeignet. Neuartige, adaptive (od. aktive) Filtertopologien besitzen für diesen Anwendungszweck viele Vorteile, weshalb deren Einsatz erprobt und die bestehenden Konzepte aufgegriffen und in Hinblick auf Energieeffizienz optimiert werden.

 Ergebnisse

In der bisherigen Bearbeitung des Teilprojektes wurden vor allem Ergebnisse in der Identifikation und Vorhersage von Störungen im Leistungsteil des Antriebssystems erreicht. Dazu wurde ein dynamisches Gesamtsystemsimulationmodell erstellt und die wichtigsten Einflussfaktoren für designunabhängige Interferenzquellen mithilfe des aktuellen Stands der Forschung lokalisiert, charakterisiert und mit Messungen verifiziert. Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich Aussagen und Grundlagen für die Auslegung von Gegenmaßnahmen ableiten, die nach aktuellem Stand der Forschung umgesetzt, getestet und auf den besonderen Fall des Flugzeugs adaptiert werden. Neben der Simulation des Gesamtsystems wird derzeit der Einsatz von Leistungsleitungstopologien und der damit einhergehenden Netzform im Antriebssystem und deren Auswirkungen auf die Störkoppelwege und den Auswirkungen von hochfrequenter Leistungsreflexion im speziellen Fall des elektrischen Fliegens untersucht. Diese Erkenntnisse wurden bereits teilweise in Realszenarien verifiziert und es ist geplant, noch in der aktuellen Förderperiode diverse Testreihen an vergleichbaren Einzelsystemen auf Systemebene durchzuführen, die zur weiteren Verifikation der geplanten aktiven Filtertechnologie, Interferenzvorhersage, Störkopplungsvorhersage und Auswirkungen des Fehlerbetriebs beitragen wird. Die praktische Umsetzung der gewonnen Erkenntnisse wird in der aktuellen Förderperiode angestrebt.

 Verwertungsperspektive

Die gewonnen Erkenntnisse können in der störsicheren und gewichtsoptimierten Entwicklung von elektrischen und hybridelektrischen Antriebssträngen der zivilen und der militärischen Luftfahrt verwertet werden. Insbesondere die Erkenntnisse zum Zusammenspiel der Einzelkomponenten in der Systemebene bieten die Möglichkeit, Störpotentiale bereits in der Entwicklungsphase zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen frühzeitig mit entwickeln zu können.

  Ansprechpartner und am Projekt beteiligte Mitarbeiter

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Dickmann

Kevin Krakow, M. Sc. (wiss. Mitarbeiter)

Institut für Grundlagen der Elektrotechnik

Fakultät für Elektrotechnik
Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg