
Städte vor Terroranschlägen sichern
9 Mai 2018
Die Gefahren im urbanen Raum nehmen zu. In weltweit einmaligen Sprengversuchen, die im April 2018 in Meppen stattfanden, gewinnen Wissenschaftler der Universität aktuelle Erkenntnisse zur Widerstandsfähigkeit von Bauten und Materialien.
Amokfahrten, Messerangriffe, Terrorgefahr – wie sicher sind unsere Städte? Mit der Beantwortung der Frage beschäftigen sich Wissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München seit über 15 Jahren. Standen zunächst Liegenschaften des Bundes im In- und Ausland sowie kritische Infrastrukturen im Fokus, so erweiterte sich das Themenspektrum nach „09/11“ und durch den gezielten Einsatz von Selbstmordattentätern auf unterschiedliche Ziele in unseren Städten: Berlin 2016, Barcelona 2017, Brüssel 2017, jeweils 3x London und Paris 2017, Stockholm 2017, das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Statistik zu Terroranschlägen in einem Jahr in Europa.
Im Auftrag des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) untersuchte die Forschergruppe BauProtect unter Leitung von Prof. Norbert Gebbeken im Forschungszentrum RISK von 2012 bis 2016 die Sicherheit urbaner Räume bei Anschlägen durch Fahrzeuge und Selbstmordatten-täter. Im Forschungsauftrag „Straßenbegleitbarrieren“ ging es um den Schutz städtischer öffentlicher Räume durch intelligente Stadtmöblierung und Elemente der Gartengestaltung.
Wie verhalten sich Gebäude bei Bombenanschlägen?
Seit 2015 untersucht die Gruppe BauProtect gemeinsam mit dem BBK, wie sich übliche Gebäude bei Bombenanschlägen im urbanen Raum verhalten und wie man sie explosionsgerecht verstärken kann. Diese Untersuchungen erfolgten zunächst vollständig digital mit Simulationen am Computer. 2017 wurden auf einem Sprengplatz der Wehrtechnischen Dienststelle 91 in Meppen Häuser aus Mauerwerk, Stahlbeton und Stahl im 1:1 Maßstab in einer Arena-Umgebung aufgebaut. Sie waren immer symmetrisch. Eine Hälfte wurde konventionell errichtet, die andere Hälfte verstärkt. Vom 16. April bis zum 27. April 2018 fanden die Ansprengversuche mit unterschiedlichen Sprengstoffmengen statt.
Weltweit einmalige Versuchsanordnung
Diese weltweit einmaligen Versuche wurden mit Unterstützung der Wehrtechnischen Dienststelle 52 durchgeführt, die die Versuchstechnik besitzt. So wurden ca. 50 Druckaufnehmer, 15 Beschleunigungsmesser und 12 Kameras eingesetzt, davon 10 Hochgeschwindigkeitskameras. Dadurch war eine wissenschaftlich fundierte Messkampagne gewährleistet. Die Wehrtechnischen Dienststellen 52 (Oberjettenberg) und 91 (Meppen) und die Universität der Bundeswehr München stellten ein Versuchsteam von 27 Spezialisten: Kranfahrer, Medien- und Kameraleute, Messtechniker, Schweißer, Sprengmeister, Wissenschaftler u.v.m.
Vielversprechende Erkenntnisse
Die Beschädigungen wurden jeweils untersucht und kartiert. Danach wurden Fenster und Türen ausgewechselt und bei den zu verstärkenden Gebäuden mit höherer Widerstandsklasse versehen.
Bereits aufgrund der ersten Erkenntnisse kann festgestellt werden:
- Heutiges Mauerwerk ist sehr viel widerstandsfähiger gegen Explosionen als bisher in einschlägigen Tabellen angegeben
- Verstärktes Mauerwerk kann so widerstandsfähig wie Stahlbeton sein
- Heutige Fenstersysteme sind widerstandsfähiger gegen Explosionen als bisher in einschlägigen Tabellen angegeben
- Werden explosionsgerechte Fenster und Türen nicht von zertifiziertem Fachpersonal eingebaut, sind sie wirkungslos, ja werden sogar selber zu Gefahr, weil sie wie Geschosse herumfliegen
Die detaillierten Auswertungen des Daten-, Bild- und Filmmaterials werden noch Monate in Anspruch nehmen.
BMIBH-Staatssekretär zeigt sich beeindruckt
Am 18. April 2018 informierte sich Staatssekretär Gunther Adler aus dem Bundesministerium des Inneren, Bau und Heimat (BMIBH) mit einer Delegation vor Ort und erlebte einen simulierten „Bombenanschlag“ aus sicherer Entfernung mit. Er zeigte sich beeindruckt von den ersten Ergebnissen und erwartet den Forschungsbericht, um mit den Ergebnissen unsere Innenstädte und kritischen Infrastrukturen im In- und Ausland sicherer zu machen.
Foto: WTD 52: Die Zerstörungen durch Glassplitter können verheerend sein. Sie wirken nach innen und außen.
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