Unwetter oder Gewitter mit Starkregen und seinen Auswirkungen

21 August 2020

Gerade in den Sommermonaten kommt es in Verbindung mit Unwettern oder Gewittern immer häufiger zu Starkregen. Wie kann man diesem Phänomen in der baulichen Gestaltung begegnen?

Ein Beitrag von Prof. Norbert Gebbeken (Exzellenter Emeritus der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, Leiter der Projektgruppe „BauProtect“ und Vorsitzender des Forschungszentrums „RISK“)

Wir alle haben es schon erlebt. Wir sitzen gemütlich im Biergarten und wie aus dem Nichts kommt ein Sturm auf und ein Wolkenbruch prasselt auf uns herunter. Innerhalb weniger Minuten steht man knöcheltief im Wasser und Martinshörner künden von Einsätzen der Polizei und Feuerwehr. Auf dem Weg nach Hause müssen Umwege gefahren werden, weil Unterführungen vollgelaufen oder Bäume umgestürzt sind. Beim Telefonat mit Freunden im angrenzenden Stadtviertel erfahren wir, dass man dort gänzlich verschont geblieben ist. In den Abendnachrichten sieht man dann die Auswirkungen des Starkregens: Entwurzelte Bäume, überflutete Keller und Unterführungen, Unfälle durch hochgedrückte Gullideckel und Aquaplaning, abgedeckte Hausdächer, u.s.w.

Dabei war am Vorabend in den Nachrichten noch die Rede vom dritten Dürresommer in Folge und dessen Auswirkungen auf die Natur. Offensichtlich haben wir es mit Wetterextremen zu tun, die sich häufen. So wird es z.B. vom Deutschen Wetterdienst anhand von aufgezeichneten Daten bestätigt. Besonders gravierend sind die Auswirkungen von Wetterextremen in den Städten, die stark versiegelt sind und wachsen. Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, Tendenz stark steigend. Neben den Starkregenereignissen stellt das Aufheizen der Städte ein weiteres Problem dar. Inzwischen gibt es an medizinischen Fakultäten Lehrstühle, die sich mit den gesundheitlichen Folgen von Ozon und Hitze in Städten und Wohnungen beschäftigen.

Hoher Grad der Versiegelung

Vor dem Hintergrund der Folgen des Klimawandels müssen wir Architekten und Bauingenieure uns fragen, wie wir dieser Veränderung durch die bauliche Gestaltung der Umwelt begegnen können. Ein großes Problem in den Städten ist der hohe Grad der Versiegelung. Er führt dazu, dass das Wasser nicht mehr zurückgehalten werden kann. Straßenquerschnitte und die Mischwasserkanalisation können die Regenmassen nicht abführen. Somit kommt es zu Überflutungen und Gefährdungen durch z.B. hochgedrückte Gullideckel.  Die Versiegelung besteht häufig aus Asphalt und Beton. Die Oberflächen sind dunkel und tragen deshalb zur Überhitzung der Städte bei. Fragt man nun Experten, die sich mit dem Kühlen der Städte wissenschaftlich beschäftigen, dann erfährt man, dass hierfür Wasser und Grün benötigt wird. Und wir lernen daraus, dass wir den Regen, auch den Starkregen, möglichst lange speichern müssen. Dann können wir Pflanzen und Bäume bewässern und durch Verdunstung kühlen. 

Trennung der Kanalisationsinfrastruktur

Somit ergeben sich für uns Architekten und Bauingenieure drängende und wichtige Zukunftsaufgaben. Wir müssen versiegelte Flächen entsiegeln oder zumindest perforieren. Die Kanalisationsinfrastruktur muss in Schmutzwasser und Brauchwasser getrennt werden. Straßenquerschnitte sind so anzulegen, dass sie Regenwasser sammeln und abführen und es möglichst in Teichen oder Zisternen speichern können. Dächer von Häusern und Industrieanlagen sowie Fassaden sollten begrünt werden. Es gibt inzwischen Beispiele für urbanes vertikales Gärtnern. Das Baurecht sollte vorsehen, dass ab einer bestimmten Anzahl von benötigten Parkplätzen Parkhäuser vorgeschrieben werden, anstatt große Flächen zu versiegeln. Diese Parkhäuser können mit Zisternen, Grün, Solar- und Klimatechnik versehen werden und somit Wasser speichern, Kühlen und Strom erzeugen.

Technisch können wir also sehr viel tun, um dem Klimawandel zu begegnen. Um die anstehenden Aufgaben interdisziplinär zu lösen, haben sich die Bayerische Architektenkammer, die Bayerische Ingenieurekammer-Bau, das Landesamt für Umwelt, die deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall und der Baugewerbeverband zusammengeschlossen. Auch die Universität der Bundeswehr München ist mit dem Forschungszentrum RISK und der Forschungsgruppe BauProtect an diversen Projekten beteiligt. Derzeit wird ein Leitfaden „Wassersensibles Planen und Bauen“ ausgearbeitet, der spätestens im Herbst 2020 auch online verfügbar sein soll, und die wichtigsten Informationen zum Thema übersichtlich und gut verständlich darstellt.     


Weitere Informationen zum Forschungszentrum RISK und zur Forschungsgruppe BauProtect finden Sie hier >> und unter https://www.unibw.de/mechanik-und-statik/bauprotect


Titelbild: © iStockphoto / Leonid Eremeychuk