Sensor für Detektion giftiger Gase soll marktreif werden

23 Februar 2023

Kann man den Unfallort gefahrlos betreten oder ist eine spezielle Schutzkleidung nötig? Vor dieser Frage stehen Einsatzkräfte immer wieder bei Gefahrstoff-Unfällen, wenn auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob gefährliche Giftstoffe freigesetzt wurden. Ein Sensor, entwickelt im Rahmen des Projekts „ACDC“ unter Leitung von Dr. Tanja Stimpel-Lindner vom Institut für Physik an der Universität der Bundeswehr München, erkennt radioaktive und chemische Gefahren und warnt rechtzeitig. In einem Folgeprojekt soll jetzt ein marktreifer Prototyp des Warngeräts entwickelt werden.

Werden Einsatzkräfte zum Brand eines Chemiewerks oder zu Gefahrgut-Unfällen gerufen, ist neben der Rettung der Opfer auch der Eigenschutz elementar wichtig. Denn bei solchen Einsätzen muss immer damit gerechnet werden, dass gefährliche Gase oder radioaktive Stoffe ausgetreten sind. Um derartige Gefahren künftig frühzeitig erkennen und adäquat darauf reagieren zu können, wurde im Rahmen des Projekts „ACDC (Atomar-Chemischer Detektorchip)“ ein kompakter, leichter und kostengünstiger Sensor entwickelt. Dieser basiert auf einem Siliziumchip, der giftige Gase und Gammastrahlung detektiert und rechtzeitig optisch durch ein Blinken und akustisch durch einen Piepton Alarm schlägt. Durch die preiswerte Herstellung und die geringe Größe des Systems soll sichergestellt werden, dass zukünftig jede Einsatzkraft etwa bei der Feuerwehr, beim Technischen Hilfswerk oder bei der Polizei und dem Militär mit einem Messgerät ausgestattet werden kann. Gerade für kleinere Einsatzeinheiten, die sonst über wenig oder keinerlei Messtechnik verfügen, könne die Sicherheit dadurch entscheidend erhöht werden, so Projektleiterin Dr. Stimpel-Lindner.

Warnung vor giftigen Gasen, Säuredämpfen und Radioaktivität

In zweieinhalb Jahren Projektlaufzeit haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Demonstrator entwickelt und mit diesem den „proof of principle“ erbracht: „Wir haben unter Beweis gestellt, dass die Detektion von giftigen Gasen, Säuredämpfen und Radioaktivität funktioniert. Wir können eine ganze Menge der relevanten Gase in relevanten Konzentrationen für Gefahrguteinsätze messen“, betont Dr. Stimpel-Lindner. Dazu gehören beispielsweise Stickoxide, Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoffe.

Das Projekt ist an der Professur für Sensortechnologien (Prof. Georg Duesberg) angesiedelt und gehört zum Forschungsbereich des Forschungszentrums SENS (Integrated Sensor Systems). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt war Teil des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ und lief von April 2019 bis September 2021. Im Dezember 2022 belegte das Projekt den fünften Platz beim Förderpreis „Helfende Hand“ in der Kategorie „Innovative Konzepte“. Der Preis dafür wurde von Bundesinnenministerin Nancy Faeser vergeben.

Ziel des Folgeprojekts ist ein marktreifer Prototyp

In einer zweiten Projektphase soll jetzt daran gearbeitet werden, den Demonstrator zu einem marktreifen Prototyp weiterzuentwickeln. Ziel ist daher, die Sensoren noch zuverlässiger zu machen und weitere Gase sowie Explosionsgefahren detektieren zu können. Für Letzteres ist für die Messung mit explosiven Gemischen ein Gasmessplatz im Aufbau. Damit der Prototyp auch annähernd marktreif wird, müssen in den nächsten zwei Jahren noch eine Reihe Tests und Qualifizierungen durchgeführt werden, erklärt Dr. Stimpel-Lindner. Das Projekt wird in wenigen Tagen mit einem umgebildeten Konsortium an Projektpartnern als Folgeprojekt beim BMBF für das Programm „Praxisleuchttürme der zivilen Sicherheit“ eingereicht.

Interesse bei Einsatzkräften ist groß

Das Projekt stoße auf großes Interesse bei allen möglichen Einsatzkräften, die den Sensor laut Dr. Stimpel-Lindner am liebsten morgen schon tragen würden. Für sie ist es auch ein persönliches Herzensprojekt, seit über 20 Jahren ist sie selbst bei der Feuerwehr, seit fast 10 Jahren zusätzlich beim ABC-Zug München Land: „Als Führungsperson ist es immer schwierig zu entscheiden, ob man seine Leute in eine gefährliche Situation reinschicken kann oder nicht“, so die Physikerin. Genau darum wollen sie und ihr Team nun mit Hochdruck daran arbeiten, den Sensor schnellstmöglich auf den Markt zu bringen.


Titelbild: Dr. Tanja Stimpel-Lindner (re.) und ihr Mitarbeiter Mark Viebrock (li.) bei der Messung und Probennahme einer Testsubstanz mit dem Warngerät (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)