Podiumsdiskussion an der UniBw M zum Krieg in der Ukraine

20 Juli 2022

Am 19. Juli richtete die Universität der Bundeswehr München eine Podiumsdiskussion zum Thema „Krieg in der Ukraine“ aus, moderiert von Prof. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik. Auf dem Podium diskutierten Yuriy Yarmilko, Generalkonsul der Ukraine in München, Florian Hahn, MdB (CSU), Hans-Lothar Domröse, General a. D. und Gudrun Dometeit, Ressortleiterin Ausland beim Focus.

Neben den Zuschauerinnen und Zuschauern im YouTube-Livestream verfolgten rund 100 Gäste die Podiumsdiskussion vor Ort im Audimax, darunter die Präsidentin der Universität Prof. Merith Niehuss und Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik und der Bundeswehr. Gleich zu Beginn betonte Prof. Masala, dass man sich momentan immer noch in einer sehr dramatischen Situation befinde. Das gelte sowohl für den Kriegsverlauf in der Ukraine, als auch für alle Konsequenzen, die dieser Krieg mit sich bringe, wie etwa Auswirkungen auf die Gasversorgung: „Wir haben es hier mit einem regionalen Krieg zu tun, der globale Implikationen hat.“ Bereits heute sei absehbar, dass dieser Krieg die internationale Politik auf die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte fundamental verändern werde.

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Prof. Carlo Masala (Foto li.) moderierte die Diskussion, Hans-Lothar Domröse (Foto re.) saß auf dem Podium (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)

Schwierige Pattsituation

Nach fast sechs Monaten Krieg sei laut General a.D. Hans-Lothar Domröse feststellbar, dass der Kreml seine strategischen Ziele nicht erreicht habe. Aus militärischer Sicht bewertete er die gegenwärtige Lage als schwierige Pattsituation: „Beide Seiten haben herbe Verluste.“ Im Herbst könnte es seiner Einschätzung nach jedoch einen „tipping point“ (Wendepunkt) geben, an dem beide Präsidenten einen Waffenstillstand – nicht Frieden – vereinbaren könnten. In jedem Fall sei keine Seite strategisch so im Vorteil, dass sie sofort gewinnen könne.

Mit Blick auf den Ernst der Lage ist sich Florian Hahn sicher, dass der russische Machthaber nicht mit der Ukraine aufhören wird, solange er nicht überzeugt ist, dass der Westen es ernst meint: „Dass Schweden sich sicherer in der NATO glaubt, als in der Neutralität, ist mehr als bemerkenswert.“ Kritisch sieht er die aus seiner Sicht mangelnde Klarheit der Bundesregierung und speziell des Bundeskanzleramts in der Kommunikation, u. a. beim Thema Waffenlieferungen. Die Regierung habe seiner Meinung nach ein großes Problem damit zu sagen, um was es eigentlich geht. Laut Hahn gehe es nämlich nicht nur um Werte, sondern knallhart auch um eigene Interessen und um die eigene Sicherheit Deutschlands und Europas.

Brückenbaupolitik mit Russland gescheitert

Auf Prof. Masalas Frage nach der innenpolitischen Situation in der Ukraine und wie lange das ukrainische Volk noch durchhalten könne, bekräftige Yuriy Yarmilko: „Das ganze Volk ist bereit zu kämpfen, bis hin zum Präsidenten – so lange, wie es notwendig ist. Wir haben ganz einfach keine Alternative, keine andere Lösung.“ Mit Blick auf die Unterstützung der NATO- und EU-Staaten machte er deutlich: Um zu gewinnen, brauche man sowohl die Entschlossenheit der Ukraine als auch die westliche Unterstützung mit Waffenlieferungen. Die Brückenbaupolitik mit Russland sei für ihn gescheitert. Er betonte, dass die Ukraine jetzt nicht nur für die Unabhängigkeit des eigenen Landes kämpfe, sondern auch die demokratische Welt gegen die Barbarei Russlands schützen würde.

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Florian Hahn (Foto li.), Yuriy Yarmilko (Foto Mitte) und Gudrun Dometeit (Foto re.) komplettierten das Podium (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)

So viele, durchaus kontroverse Leserbriefe wie nie zuvor – hinsichtlich des Interesses in Deutschland bezüglich der Situation in der Ukraine bilanzierte Gudrun Dometeit: „Ich kann nicht feststellen, dass für den Moment die Aufmerksamkeit nachlässt bei diesem Thema, gerade weil es so viele unterschiedliche Facetten hat.“ Allerdings hält sie es für möglich, das im Herbst auch mit steigenden Energiepreisen eine Schlussstrichdiskussion aufkommt.

Szenario im Herbst: Möglicher Waffenstillstand

Zum Abschluss bat Prof. Masala das Podium um eine ausblickende Einschätzung auf folgendes Szenario: Im Herbst mit steigenden Gaspreisen bietet Putin einen Waffenstillstand, die Ukraine lehnt ab – wie reagiert Europa? Gudrun Dometeit zufolge sollte man auf das Angebot eines Waffenstillstands eingehen, da es nach außen hin nur schwer zu verkaufen sei, wenn man dies nicht tue. Auch nach Ansicht von Hans-Lothar Domröse wird es in der deutschen Öffentlichkeit schwierig, sollte die Ukraine nicht auf ein solches Angebot eingehen. Für Florian Hahn ist der unbedingte Wille Europas, dass die Ukraine gewinnt, am bedeutendsten und dürfe unter keinen Umständen verloren gehen. Yuriy Yarmilko betonte, dass Sicherheitsgarantien für die Ukraine sehr wichtig seien. Hinsichtlich steigender Gaspreise sei für ihn ganz klar, dass Menschenleben und zerstörte Städte wichtiger sind, als Geld und Gas.


Die ganze Podiumsdiskussion zum Nachschauen gibt es auf dem YouTube-Kanal der Universität der Bundeswehr München >


Titelbild (v.l.n.r): Florian Hahn, Gudrun Dometeit, Prof. Carlo Masala, Yuri Yarmilko und Hans-Lothar Domröse diskutierten über den Krieg in der Ukraine (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)