Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede auf Online-Arbeitsmärkten?

27 April 2020

Auf Online-Arbeitsmärkten können Projekte weltweit im Home-Office erledigt werden. Sie stehen – verstärkt durch COVID-19 – im Mittelpunkt einer intensiven Debatte in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft, wie wir Arbeit online organisieren und unter welchen Bedingungen wir online arbeiten. Eine neue Fallstudie zeigt, dass geschlechtsspezifische Lohnunterschiede auf einem der weltweit größten Online-Arbeitsmärkte durch geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede erklärt werden können.

Ein Beitrag von Prof. Frank Müller-Langer, Professur für Digitale Transformation

Das anhaltende geschlechtsspezifische Lohngefälle auf traditionellen Arbeitsmärkten ist Gegenstand einer intensiven Debatte in Gesellschaft, Politik und Forschung. Während das geschlechtsspezifische Lohngefälle und seine Ursachen im Kontext traditioneller Arbeitsmärkte gut untersucht sind, ist über diese Fragen im Zusammenhang mit Online-Arbeitsmärkten relativ wenig bekannt.

Eine aktuelle Studie (Gomez-Herrera und Müller-Langer, 2019) liefert neue Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden sowie zu geschlechtsspezifischen Verhaltensunterschieden im Wettbewerb um Aufträge auf Online-Arbeitsmärkten. Dazu wurde eine Stichprobe von mehr als 250.000 digital durchführbaren Projekten aus 188 Ländern mit mehr als 2,5 Millionen Lohnkostenvorschlägen von 65.010 FreelancerInnen aus 177 Ländern ausgewertet. Die Studie kommt zu den folgenden Hauptergebnissen:

1. Lohnunterschied von -4%

Unsere Analyse liefert empirische Evidenz für ein statistisch signifikantes geschlechtsspezifisches Lohngefälle von -4%. Die vereinbarten Lohnsummen von Frauen sind um 4 Prozentpunkte geringer als die vereinbarten Lohnsummen von Männern.

2. Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede im Wettbewerb um Aufträge

Interessanterweise verschwindet das geschlechtsspezifische Lohngefälle nahezu, wenn wir die im Wettbewerb um Aufträge vorgeschlagenen Lohnsummen in die Analyse der vereinbarten Lohnsumme miteinbeziehen. Das Lohngefälle ist statistisch nicht signifikant und sehr gering (-0,3%). Vor diesem Hintergrund argumentieren wir, dass geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede im Wettbewerb um Aufträge die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede auf dem untersuchten Online-Arbeitsmarkt weitestgehend erklären. Auf Online-Arbeitsmärkten tätige Frauen sind bereit, Projekte zu einem niedrigeren Lohn zu erledigen als ihre männlichen Wettbewerber − daher die beobachtbaren geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede.

3. Frauen haben höhere erwartete Einnahmen

Unsere Analyse zeigt auch, dass Frauen den Wettbewerb um ausgeschriebene Aufträge eher gewinnen als ihre männlichen Mitbewerber. Daher haben sie zum Zeitpunkt ihres Lohnkostenvorschlags insgesamt einen höheren erwarteten Lohn. Mit anderen Worten: Die höheren Gewinnwahrscheinlichkeiten von Frauen aufgrund von niedrigeren, vorgeschlagenen Lohnsummen führen zu höheren erwarteten Einnahmen von Frauen. Vor diesem Hintergrund argumentieren wir, dass geschlechtsspezifische Lohnunterschiede auf Online-Arbeitsmärkten nicht notwendigerweise auf Diskriminierung zurückzuführen sind, sondern auf rationalen Strategieüberlegungen von Frauen. Die Folgerung für uns daraus ist, dass Online-Arbeitsmärkte Frauen dabei helfen könnten, höhere erwartete Einkommen zu erzielen.

Dieser Kurzbeitrag basiert auf einem kürzlich bei der „Ökonomenstimme“ erschienenen Text. Hier können Sie den gesamten Artikel nachlesen: https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2020/04/gibt-es-geschlechtsspezifische-lohnunterschiede-auf-online-arbeitsmaerkten/


Zur Person:

Prof. Müller-Langer hat seit 1. Januar 2020 die Professur für Digitale Transformation an der Fakultät für Betriebswirtschaft inne. In Lehre und Forschung beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Unternehmen, Märkte und die Gesellschaft. Seine Arbeitsbereiche sind insbesondere digitale Ökonomie, Innovationsforschung und Datenökonomie. Seine laufenden Forschungsprojekte umfassen Themen wie die digitale Transformation des Arbeitsmarktes (insbes. Online-Arbeitsmarktplattformen), Datenmärkte (z.B. Datenplattformen in der Autoindustrie), sowie die Auswirkungen der Digitalisierung in der Wissenschaft (insbes. Open Science, Open Access und Open Data).

Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.unibw.de/universitaet/berufung/neuberufene/prof-frank-mueller-langer


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