Angeregte Podiumsdiskussion unter Optimisten

21 Februar 2020

Im Audimax diskutierte ein hochkarätig besetztes Podium aus Vertretern der Politik, der Bundeswehr und der Universität über Möglichkeiten der Öffnung der Bundeswehr für EU-Bürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Auf Einladung des deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV)1 und Initiative der Truppenkameradschaft der Universität der Bundeswehr München fand am 19. Februar 2020 im Audimax eine Podiumsdiskussion mit dem Thema „Wieviel EU(-Bürger) verträgt die Bundeswehr?“ statt. Sehr angeregt und kontrovers diskutierten der bayerische Staatsminister des Innern Joachim Herrmann, der Wehrbeauftragte des Bundestages Dr. Hans-Peter Bartels, der Kommandeur vom Landeskommando Bayern Brigadegeneral Thomas Hambach, der Landesvorsitzende West des DBwV Oberstleutnant a.D. Thomas Sohst sowie Prof. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an unserer Universität. Moderiert wurde die Runde von Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing.

Diskussion über Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer

Nach einem Grußwort von Hauptmann Steffen Klar, Vorsitzender der Standortkameradschaft, hielt Prof. Carlo Masala einen Impulsvortrag zur Fragestellung des Abends. Er führte aus, dass die Bundeswehr mit der derzeitigen und prognostizierten demografischen Entwicklung das Ziel von circa 200.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2024 nicht erreichen könne. Daher müsse über neue, „kreative“ Lösungen nachgedacht werden, wie mehr geeignete Bewerber gefunden werden könnten. Ein denkbarer Ansatz wäre die Zulassung von EU-Bürgern, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Andere Staaten in Europa wie Belgien, Irland und Dänemark haben laut Masala seit Jahren diese Möglichkeit aus den gleichen Gründen eingeführt. In einem sicherheitspolitischen Umfeld, das sich insbesondere seit 2014 verschärft habe, werde die europäische Zusammenarbeit ohnehin immer enger, stellte Masala fest. „Wir befinden uns in einem Prozess, in dem europäische Streitkräfte in Ausbildung und Training zunehmend miteinander verwoben sind.“ Auch in Einsätze gehe die Bundeswehr nur multinational. Einschränkend fügte Prof. Masala aber hinzu, dass auch die genannten Länder ihre Streitkräfte nicht allein durch die Öffnung für EU-Ausländer regenerieren könnten, dies wäre auch in Deutschland zu erwarten. Es müsste also noch weitergehende Lösungen geben, wie zum Beispiel die Möglichkeit als in Deutschland geborene Person mit ausländischen Wurzeln in die Bundeswehr einzutreten und durch den Dienst den deutschen Pass zu erhalten, ähnlich wird es in den Streitkräften der USA gehandhabt.

Bundeswehr muss attraktiver für Bewerber werden

Mit diesen ersten Statements aus Prof. Masalas Vortrag stiegen die Teilnehmer in die Diskussion ein. Eine Zulassung von Bewerbern aus der EU um die Truppe zu vergrößern lehnte Innenminister Herrmann ab, für ihn sei dies nicht das entscheidende Problem: „Es geht vielmehr darum, die Attraktivität der Bundeswehr zu erhöhen und darum, dass junge Leute wieder stolz zur Bundeswehr gehen.“ Er zeigte sich optimistisch, dass dies gelingen könne und berichtete von positiven Erfahrungen bei der bayerischen Polizei, die jedes Jahr qualifizierte und motivierte neue Beamte einstelle. Die Bundeswehr müsse besser ausgestattet werden, um ihren Ruf in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern. Auch befristete Arbeitsverträge, Auslandseinsätze und die teilweise geringe gesellschaftliche Akzeptanz mindere den Anreiz, sich bei der Bundeswehr zu bewerben. Dass die Bundewehr ein Attraktivitätsproblem habe bestätigte auch Brigadegeneral Thomas Hambach, allerdings sieht er die demografische Entwicklung deutlich optimistischer als Prof. Masala und berichtet über gute Bewerberzahlen der letzten Jahre.

Der Wehrbeauftragte Bartels kennt die Gründe für dieses Problem, jahrelange Reduzierung, nicht nur personell, sondern vor allem materiell führte zu den heutigen Ausrüstungsproblemen. Die begonnenen Trendwenden in der Bundewehr müssten endlich spürbar werden. Bartels plädierte dafür, alle vier Jahre ein Weißbuch herauszugeben „das die sicherheitspolitische Lage der Bundesrepublik aus Sicht der Regierung darstellt und regelmäßige Diskussionen dazu im Bundestag - dann würde die Öffentlichkeit schon mitdiskutieren." Auch Oberstleutnant a. D. Sohst wünschte sich dringend mehr öffentliche Debatten, um die Bundeswehr wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu holen und ermutigt Politiker auf allen Ebenen in die Diskussion einzusteigen.

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Die Runde auf dem Podium diskutierte angeregt vor interessiertem Publikum im Audimax (© Universität der Bundeswehr München / Siebold)

Sicherheitspolitische Debatten in die Mitte der Gesellschaft holen

Während über die Notwendigkeit einer Attraktivitätssteigerung der Bundeswehr Einigkeit herrschte, gingen die Meinungen beim Personalproblem auseinander. Herrmann plädierte dafür, dass die deutsche Staatsbürgerschaft vor Eintritt in die Streitkräfte angenommen werden müsse. Auch Sohst bestätigte, dass der Deutsche Bundeswehrverband die deutsche Staatsbürgerschaft weiterhin als Voraussetzung für den Dienst in der Bundeswehr sehe. In Ausnahmefällen könne aber bereits heute eine Fachkraft aus dem EU-Ausland eingestellt werden. Masala hingegen betonte das integrierende Element, das die Bundeswehr für Ausländer sein könne, die eine Staatsbürgerschaft anstreben. Im Grunde sei es eine Identitätsfrage, die zu diskutieren sei: „Was für Streitkräfte sollen das sein? Wen soll die Bundeswehr repräsentieren?“, fragte Masala. In einer durchmischten Gesellschaft sei es nur nachvollziehbar, dass auch die Bundeswehr eine Öffnung erfahre.

Anschließend an eine durchaus kontroverse Diskussion auf der Bühne meldeten sich zahlreiche Gäste mit Fragen und Kommentaren zu Wort. Im Publikum wurde mehrfach die Ansicht vertreten, dass es beim Dienst in der Bundeswehr darauf ankäme einen Eid zu leisten und die freiheitlich demokratischen Werte zu teilen und zu verteidigen, nicht auf die Staatsangehörigkeit.

 


1Der DBwV ist die Einheits- und Spitzenorganisation zur Vertretung der Interessen aller aktiven und ehemaligen Soldaten, Beamten und Arbeitnehmer der Bundeswehr, ihrer Familienangehörigen und Hinterbliebenen gegenüber Parlament, Regierung und Öffentlichkeit. Er hat rund 200.000 Mitglieder und ist in vier Landesverbände aufgeteilt, diese gliedern sich in Bezirke mit Standortkameradschaften, Truppenkameradschaften und anderen Unterteilungen.

 

Titelbild: (v.l.n.r.) Hauptmann Klar, BrigGen Hambach, Prof. Niehuss, Dr. Bartels, Prof. Münch, Oberstleutnant a.D. Sohst, Prof. Masala, Innenminister Herrmann (© Universität der Bundeswehr München / Siebold)