Die Moral im modernen Journalismus

23 Mai 2019

Nachrichten verbreiten sich heutzutage durch das Internet, mobile Apps und soziale Netzwerke schneller als je zuvor – bleibt da Zeit für ethische Fragen in Redaktionen und Rundfunkanstalten? Das Institut für Journalistik an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität der Bundeswehr München positioniert sich ganz klar zur hohen Bedeutung der Medienethik – sie ist ein Pflichtfach im Journalistik-Studium geworden. Die Prodekanin der Fakultät, Prof. Sonja Kretzschmar, erklärte in ihrer Begrüßungsrede zum ersten „Medienethik. Update“, welches das Institut in Kooperation mit dem zem:dg am 22. Mai im Universitätscasino veranstaltete: „Medienethik ist relevant für den Journalismus – von Anfang an.“

Bildethik und Künstliche Intelligenz als Thema der Ethik
Nach ihrem Grußwort eröffnete Prof. Kretzschmar die Konferenz mit ihrem Vortragsthema „Bildethik im Zeitalter der Digitalisierung“. Seit jeher gilt im Journalismus ein Bild als Garant für Authentizität einer Nachricht, bei der Selektion der Reize, die den Rezipienten beeinflussen, hat ein Bild immer Priorität. Starke Bilder „brennen“ sich förmlich in das Gedächtnis ein und sorgen so für eine besonders langanhaltende Erinnerung an ein Ereignis und die Medienberichterstattung dazu. Doch noch nie war es nach Meinung von Prof. Kretzschmar so einfach wie heute Bilder, auch Videos, zu manipulieren und so den Anschein von Authentizität zu erwecken, wo doch eigentlich eine Fälschung gezeigt wird. Daher sei es eine der wichtigsten Aufgaben im seriösen Journalismus Bildquellen sorgfältig zu prüfen. Eine weitere ethische Frage in Bezug auf die Verbreitung von Bildern sei die nach den Motiven, die gezeigt werden. Darf oder sollte eine Redaktion Opfer von Gewalt und deren Leid zeigen? Durch die Digitalisierung und globale Vernetzung der Menschen werden Bilder von Gewalt und Katastrophen weltweit verbreitet und sind einfach zugänglich. Jedoch sollten laut Prof. Kretzschmar seriöse Journalisten stets zwischen den Persönlichkeitsrechten der gezeigten Personen und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit abwägen.

Auch Künstliche Intelligenz ist ein Thema des modernen Journalismus, doch kann eine Maschine ethische Werte beurteilen? Prof. Alexander Filipović lehrt Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München und ist außerdem sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Künstlichen Intelligenz. In seinem Vortrag gab er philosophische Anmerkungen zur aktuellen Debatte. Seinem Verständnis nach bedeutet Ethik Freiheit und Autonomie des Menschen in einer hochtechnologischen Gesellschaft. Die Finanzierung der Ethikforschung an der TU München durch den Social Media Weltkonzern Facebook sieht Prof. Filipović kritisch. Ethikforschung müsse unabhängig von wirtschaftlichen Interessen betrieben werden um einen fruchtbaren Diskurs in der Gesellschaft anzuregen, daher sollte sie idealerweise aus öffentlichen Geldern finanziert werden.

Prof. Annika Sehl vom Institut für Journalistik beschäftigte sich mit ethischen Begründungen bei der algorithmischen Auswahl von Nachrichten. In ihrem Vortrag ging sie auf die Frage ein, welche Vorteile aber auch Risiken eine Nachrichtenverbreitung und –nutzung über Algorithmen für Redaktionen, das Publikum und letztlich auch die demokratische Gesellschaft mit sich bringt. Durch Algorithmen wird gesteuert, welche Nachrichten ein Nutzer angezeigt bekommt, so soll ein individualisiertes, auf Nutzerinteressen zugeschnittenes Angebot verbreitet werden. Prof. Sehl beleuchtete in ihrem Vortrag Fragen, die sich Medienorganisationen praktisch stellen müssen um eine Balance zwischen Personalisierung und vielfältiger Information herstellen zu können.

Werte und Normen in der Berichterstattung zur Migration
Einige aktuelle Fragen über moralische und ethische Berichterstattung erläuterte Prof. Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Gemeinsam mit Prof. Filipović leitet er das Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft (zem::dg). Anhand eines Videoausschnitts aus einer aktuellen Berichterstattung eines öffentlich-rechtlichen Senders erklärte er den Begriff Framing. Als Framing bezeichnet man die Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster. Komplexe Informationen werden so selektiert und strukturiert aufbereitet, dass eine bestimmte Problemdefinition, Ursachenzuschreibung und moralische Bewertung in der jeweiligen Thematik betont wird. Er stellte fest, dass über Migranten und Migrantinnen öffentlich tendenziell negativer und weniger berichtet wird. Weiterhin dass sie mehrheitlich passive Objekte von Zuschreibungen sind und negative Metaphern verwendet werden, es herrsche ein Kriminalitäts- und Eindringlingsframe, der den öffentlichen Diskurs beeinflusse. Sein Appell an seriöse Medien ist es daher, kein Framing zu betreiben, sondern stets faktenbasiert und wahrheitsgemäß zu berichten.

Journalismus zwischen wirtschaftlichem Druck und gesellschaftlichem Anspruch
Mit dem Zwiespalt zwischen wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichem Anspruch setzte sich Prof. Irene Preisinger vom Institut für Journalistik auseinander. Sie stellte kurz den aktuellen Stand der Dinge im Redaktionsalltag von Nachrichtenagenturen vor und zeigte auf, dass auch Medienhäuser, Verlage und Rundfunkanstalten als Wirtschaftsunternehmen fungieren und wirtschaftlich handeln müssen, um nicht vom Markt zu verschwinden. Exklusivität als redaktionelles Ziel dürfe aber nie zu journalistischem Fehlverhalten führen. Gerade die Digitalisierung stelle Journalisten hier vor besondere Herausforderungen. Sie beleuchtete die Institution des Deutschen Presserats und stellte einige Vorgaben aus dem Pressekodex vor, die das Handeln von Journalisten leiten sollten, sofern es nicht ohnehin interne Kodices in einer Redaktion gebe, was oft der Fall sei.

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Zum Abschluss des ersten Medienethik Updates fanden sich Anja Miller, die Redaktionsleiterin der Rundschau des BR, Prof. Preisinger und Prof. Altmeppen unter der Moderation von Prof. Kretzschmar und Johannes Götz, einem Studenten der Universität der Bundeswehr zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Hier gingen sie weiter auf die bereits im Verlaufe der Konferenz angesprochenen aktuellen Bezüge ein und diskutierten sowohl untereinander als auch mit dem Publikum der Tagung. Prof. Kretzschmar wurde bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagung von ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Frauke Ihnen-Beilhack, den Medien-Ingenieuren Benjamin Mayer und Melanie Haschberger sowie den studentischen Hilfskräften Johannes Götz, Maximilian Strote und Patrizia Wernicke unterstützt. Das erste Medienethik.Update klang im Anschluss an die Podiumsdiskussion mit dem jährlichen Sommerfest der Fakultät im Garten des Casinos aus.

Bilder: Universität der Bundeswehr München, IFJ/Christian Siebold
Bildunterschrift Bild 2: Die Teilnehmer des ersten Medienethik.Updates, v.l.n.r.: Prof. Christian Schicha, Prof. Annika Sehl, Prof. Thomas Bohrmann, Prof. Sonja Kretzschmar, Prof. Alexander Filipović, Prof. Irene Preisinger, Prof. Klaus-Dieter Altmeppen